Leibniz-Gemeinschaft https://www.leibniz-gemeinschaft.de/ TOP-Meldungen von Leibniz-Gemeinschaft de-DE Leibniz-Gemeinschaft Sun, 07 Jul 2024 16:10:05 +0200 Sun, 07 Jul 2024 16:10:05 +0200 news-6216 Fri, 05 Jul 2024 16:53:00 +0200 Baden, nicht schaden https://www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/neues/forschungsnachrichten/forschungsnachrichten-single/newsdetails/dos-and-donts-fuer-ungetruebten-wasserspass Eingecremt in den See springen, ist das eine gute Idee? Und darf man eigentlich ins Wasser pinkeln? Sieben Tipps aus der Forschung – für einen naturverträglichen Tag am Badesee. Das Wetter ist schön, also raus an den Badesee, zum Paddeln an den Fluss oder mit der Picknickdecke auf eine Wiese ans Ufer! Doch während der Mensch entspannt, kann die Natur durch das Freizeitvergnügen gestört oder geschädigt werden. Das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) hat Do‘s and Dont‘s für ungetrübten Wasserspaß zusammengestellt – auch solche, die nicht ganz offensichtlich sind. Selbstverständlichkeiten wie das Mitnehmen von Müll haben wir hier nicht aufgelistet, aber hoffentlich Informatives, das noch nicht allen bekannt war.
Sonnencreme und Mückenschutz können schädlich für Lebewesen im Wasser sein

Die Gesundheit geht vor, deshalb ist das Eincremen bei Sonnenschein natürlich ratsam. Aber auf jeden Fall gut einziehen lassen. Denn Sonnencremes enthalten chemisch-organische UV-Filter. Einer davon ist Octocrylen. Sonnenschutzmittel mit diesem Stoff sollte man womöglich besser meiden. Professor Werner Kloas, der am IGB die Wirkung von Umweltchemikalien auf Amphibien und Fische erforscht, sieht für Octocrylen noch Klärungsbedarf, auch bezüglich der Entwicklung fundierter Leitlinien für die Wasserqualität: „Studien an Ratten haben gezeigt, dass diese Substanz die Bildung von Schilddrüsenhormonen mindert, diese sind wichtig für Wachstum und Entwicklung. Andere Untersuchungen lieferten Hinweise darauf, dass Octocrylen in Gewässern Lebewesen wie Wasserflöhen, Wimpertierchen oder Fischen schaden kann. Es ist zu erwarten, dass gerade bei Amphibienlarven, die besonders sensibel bei Störungen des Hormonhaushalts der Schilddrüse reagieren, ebenfalls Schädigungen möglich sind. Im Meer schadet es den Korallen.“

Auch Mückenschutzmittel, so genannte Repellentien, sind nicht unbedenklich. Der in diesen Mitteln besonders häufig enthaltene Stoff Icaridin wirkt beispielsweise schädlich auf sich entwickelnde Amphibien wie Lurchlarven.

Zigarettenkippen: Natürlich nicht direkt ins Wasser, aber bitte auch nicht in den Gully oder ans Ufer schnippen

Nikotin ist hochgiftig, nicht nur für uns Menschen, sondern für alle Lebewesen, auch für die im Wasser. Und Zigaretten enthalten noch weitere Schadstoffe. Deshalb gehören Zigarettenkippen natürlich nicht in den See oder Fluss. Aber auch am Ufer weggeworfen oder in den Gully geschnippt, können sie im Gewässer Schaden anrichten: Nikotin ist sehr gut wasserlöslich und bei Regen ist bereits nach 30 Minuten etwa die Hälfte des Nikotins aus der Kippe gelöst. Das Team von IGB-Forscher Dr. Markus Venohr hat 2019 die Nikotinkonzentration in verschiedenen Berliner Gewässern gemessen. „Nach Regenfällen stieg die Nikotinkonzentration in fast allen untersuchten Gewässern deutlich an, am stärksten in den Kanälen mit Anschluss an die Kanalisation, dort im Durchschnitt um das 16-fache. Aber auch im Sommer bei Trockenheit in Badeseen wie der Krummen Lanke waren die Nikotinwerte hoch.“

Jetzt wird‘s kurz privat: Ins Wasser pinkeln:

Keine Sorge, wir werden gleich wieder das Thema wechseln, aber wir wollten das noch mal klären: Ins Wasser pinkeln ist wirklich nicht schön, aber in den größeren Gewässern schadet es der Umwelt nicht. Dafür werden die Nährstoffe im Urin zu stark verdünnt. Anders verhält es sich mit dem Urin von Kühen und Schweinen, der als konzentrierter Dünger von Feldern in die Gewässer gespült wird. Die darin enthaltenen Stickstoff- und Phosphorverbindungen fördern das Algenwachstum und sind eines der größten Probleme für die Wasserqualität von Seen. Allerdings kann Urin für kleinere Gewässer eine zusätzliche Belastung sein, die sich doch vermeiden lässt, oder?

Boot fahren: Schont das Schilf!

Boote ohne Motor dürfen auch außerhalb der Fahrrinne fahren. Dabei sollte dennoch Abstand zum Schilfgürtel gehalten werden, da sich Wasservögel dorthin zurückziehen und das Schilf seit den 1950er Jahren in vielen europäischen Seen zurückgeht. Eine Studie des IGB und der Humboldt-Universität zu Berlin hat gezeigt, dass mechanischer Stress durch Wellenschlag der Schifffahrt, Uferverbauungen, Fraßschäden durch Wasserratten und Nutrias, aber auch Schadstoffe wie Sulfat dafür verantwortlich sind. Also bitte keine zusätzlichen Schäden verursachen.

Schwebende Unterwasser-Soundmaschinen:

Es ist ein faszinierender Anblick, wie die eFoils Menschen auf dem Wasser schweben lassen. Noch dazu ist dieses elektrisch betriebene Surfbrett mit großer Finne an der Unterseite flüsterleise – zumindest oberhalb der Wasseroberfläche. Unter Wasser macht das neue Freizeitvergnügen jedoch mächtig Lärm. Die Wissenschaftlerin und Klangkünstlerin Francisca Rocha Goncalves hat in Zusammenarbeit mit dem IGB die Geräuschkulisse im Berliner Müggelsee mit Unterwassermikrofonen aufgenommen: „Die eFoils bringen eine weniger häufige Frequenz in die allgemeine Geräuschkulisse unter Wasser ein. Sie ist höher als die von Motorbooten, so zwischen sieben und neun Kilohertz“, sagt sie. Die Folgen für Fische und Co. sind allerdings noch nicht erforscht, dafür ist die Technik zu neu. Auch Flyboards fallen in die Kategorie Unterwasser-Soundmaschine. Hier daher nur ein Denkanstoß, mal über den menschlichen Wahrnehmungshorizont hinaus zu blicken bzw. zu horchen.

Enten und Fische nicht füttern

Brot gehört nicht ins Wasser. Zum einen ist es für Wasservögel ungesund, weil es viel Salz enthält oder auch verschimmelt sein kann. Zum anderen belastet es die im Sommer ohnehin strapazierten Gewässer mit zusätzlichen Nährstoffen, die wiederum das Algenwachstum fördern. Auch aus diesen Gründen ist das Füttern von Wasservögeln in vielen Städten wie Berlin verboten.

Baden nur an ausgewiesenen Badestellen: Selbstschutz trifft Naturschutz

Die DLRG empfiehlt, aus Sicherheitsgründen nur an offiziellen Badestellen zu baden. Dem können wir uns nur anschließen. Denn dort bemüht man sich neben der Sicherheit für die Badenden auch um ein Gleichgewicht zwischen menschlicher Nutzung und Naturschutz: Müll wird regelmäßig entfernt, Schutzzonen werden ausgewiesen oder abgesperrt und so weiter. Außerhalb dieser Badestellen ist jede Nutzung von Ufern und Gewässern mit möglichen Schäden an Uferstrukturen und Pflanzen in diesem sensiblen Bereich und mit Störungen von Tieren verbunden.

Weitere Informationen und Kontakt

Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB)

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News Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei Umweltwissenschaften Forschungsergebnis
news-6215 Fri, 05 Jul 2024 14:32:00 +0200 Reiche leben (noch) klimaschädlicher https://www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/neues/forschungsnachrichten/forschungsnachrichten-single/newsdetails/co2-fussabdruck-in-privaten-haushalten Vor allem Flugreisen fallen ins Gewicht: Reiche Menschen in Deutschland haben einen doppelt so großen CO2-Fußabdruck wie ärmere. Jeder in Deutschland lebende Mensch verursacht mit 6,5 Tonnen im Schnitt jährlich mehr als doppelt so viel Treibhausgasemissionen, wie nach Berechnungen von Klimaexperten mit bis zu drei Tonnen als klimaverträglich eingestuft wird. Menschen aus den einkommensstärksten Haushalten haben dabei mit mehr als zehn Tonnen durchschnittlich einen doppelt so großen CO2-Fußabdruck wie Menschen aus Niedrigeinkommenshaushalten (5,6 Tonnen pro Kopf). Der größte Treiber des Unterschieds sind Flugreisen. Das sind die Hauptergebnisse einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Die DIW-Forscherinnen Sandra Bohmann und Merve Kücük haben dafür auf Basis von Vorabdaten aus dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) aus dem Jahr 2023 nicht nur den CO2-Fußabdruck pro Kopf in Deutschland in den Bereichen Wohnen, Ernährung und Mobilität berechnet, sondern auch die Verteilung der Emissionen nach dem Einkommen der Haushalte betrachtet.

„Ob arm oder reich: Unser CO2-Fußabdruck ist auf jeden Fall zu groß. Die Höhe des Haushaltseinkommens spielt für die Emissionen im Bereich Ernährung oder Wohnen kaum eine Rolle – beim Mobilitätsverhalten dagegen schon“, fasst Studienautorin Merve Kücük aus der Abteilung Klimapolitik des DIW Berlin die Ergebnisse zusammen. In der Regel verursachen Menschen mit hohen Haushaltseinkommen beim Wohnen sogar etwas weniger Emissionen als Menschen mit niedrigen Einkommen, weil sie beispielsweise häufiger in energieeffizienteren Gebäuden leben.

Heizen und Mobilität sind die größten CO2-Treiber

Während das Mobilitätsverhalten mit durchschnittlich zwei Tonnen Kohlendioxid (CO2) pro Kopf zu Buche schlägt, fallen für das Wohnen, also Strom, Heizen und Warmwasser, rund 2,9 Tonnen CO2 jährlich an. Die Anzahl der Personen im Haushalt macht dabei einen großen Unterschied: Während ein Vierpersonenhaushalt pro Kopf nur 1,7 Tonnen CO2 verursacht, sind es in einem Einpersonenhaushalt mehr als vier Tonnen. Auch die Wohnfläche macht einen Unterschied. Jeder Quadratmeter Wohnfläche, der pro Person mehr zur Verfügung steht, bedeutet 22 Kilogramm mehr Emissionen pro Kopf.

Bei der Ernährung ist vor allem der Fleischkonsum entscheidend. Wer kein Fleisch isst, verursacht in diesem Bereich nur 1,2 Tonnen pro Kopf und Jahr an Treibhausgasemissionen, während es bei mäßigem bis hohem Fleischkonsum zwischen 1,6 und 2,1 Tonnen sind.

Flugreisen verursachen am meisten Emissionen

Weder beim Wohnen noch bei der Ernährung lassen sich Unterschiede bei den durchschnittlichen Emissionen nach dem Einkommen beobachten. Anders sieht es bei der Mobilität aus. „Insbesondere das Fliegen vergrößert den CO2-Fußabdruck und ist einer der Hauptgründe, warum Menschen aus Haushalten mit höheren Einkommen einen doppelt so großen Fußabdruck haben wie diejenigen mit niedrigem Einkommen“, fasst SOEP-Studienautorin Sandra Bohmann zusammen. „Eine einzige Langstreckenflugreise führt zu mehr Emissionen pro Kopf als Wohnen und Ernährung in einem ganzen Jahr zusammen.“ 

„Eine einzige Langstreckenflugreise führt zu mehr Emissionen pro Kopf als Wohnen und Ernährung in einem ganzen Jahr zusammen.“ Merve Kücük

Mehr Umverteilung nötig, wenn Wunsch nach nachhaltigem Konsum steigt

Das Bestreben, nachhaltiger zu konsumieren, birgt aber auch Fallstricke, so das Ergebnis der zweiten Studie. Einkommensschwache Haushalte können sich umweltfreundlichen Konsum oft nicht leisten. Das Gefühl von Einkommensungleichheit wird durch das Bedürfnis nach nachhaltigen, aber teureren Produkten verstärkt. Der Staat steht also vor einem Dilemma: Er will einerseits klimagerechtes Verhalten fördern, andererseits damit verbundene größere Unterschiede zwischen armen und reichen Haushalten aber abmildern.

Studienautorin Sonja Dobkowitz kommt anhand von Modellberechnungen zu dem Ergebnis, dass die richtige Balance zwischen Umverteilung – etwa indem die Einkommensteuer erhöht wird – und Umweltsteuern beziehungsweise -abgaben wie einem CO2-Preis gefunden werden muss, um die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt nicht zu schmälern. Was die richtige Balance ist, hängt dabei sowohl von der Einkommensungleichheit in einem Land als auch vom Preisunterschied zwischen nachhaltigen und nichtnachhaltigen Produkten ab. „In jedem Fall muss die finanzielle Situation einkommensschwacher Haushalte bedacht werden, wenn der Konsum nachhaltiger Produkte zunehmen soll“, sagt DIW-Ökonomin Dobkowitz.

Weitere Informationen und Kontakt

STUDIE IM DIW WOCHENBERICHT 27/2024Pressemitteilung des DIW Berlin - Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung

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News DIW Berlin - Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Raumwissenschaften Forschungsergebnis
news-6214 Wed, 03 Jul 2024 13:31:43 +0200 „leibniz“: Amerika https://www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/neues/forschungsnachrichten/forschungsnachrichten-single/newsdetails/leibniz-amerika Herausgeforderte Demokratie, nukleare Unordnung und sonderbare Maßeinheiten: Das Leibniz-Magazin blickt über den großen Teich. Sie gelten als Wiege der modernen, westlichen Demokratie, geprägt von Freiheit und unendlichen Möglichkeiten. Werden die USA auch in Zukunft noch dieses Land sein? Einige versehen das mit einem Fragezeichen, denn eine weitere rechtspopulistische Präsidentschaft Donald Trumps könnte folgen, die Bedeutung auf dem internationalen Parkett droht zu schrumpfen, die Gesellschaft wird heute oft als »gespalten« bezeichnet. Wir haben Expertinnen und Experten gefragt, wohin es geht mit Amerika, aber auch auf die bewegte Vergangenheit und Gegenwart des Landes geschaut – und außerdem auf einige seiner Besonderheiten. Begleiten Sie uns auf dieser kleinen Reise über den großen Teich!

Der Onlineschwerpunkt „Amerika“ des Magazins der Leibniz-Gemeinschaft baut sich in den kommenden Wochen Beitrag für Beitrag auf. Unter www.leibniz-magazin.de/schwerpunkte/amerika finden Sie unter anderem folgende Themen:

  • Eigentlich sollen internationale Rüstungskontrollverträge die Arsenale der Atommächte der Welt regeln – und in Grenzen halten. Doch viele der wichtigsten Abkommen sind ausgelaufen oder wurden aufgekündigt – häufig von den USA. »Eine sehr gefährliche Situation«, sagt Caroline Fehl vom Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung (PRIF). Im Interview erklärt die Politikwissenschaftlerin, wie es dazu kam, warum nicht allein die Amerikaner Schuld haben – und warum die nukleare Ordnung nur mit ihnen wiederhergestellt werden kann.
  • Sie wollten die Stars der Paläontologie werden, um jeden Preis. Den Wettlauf um die spektakulärsten Dinosaurierknochen fochten die Amerikaner Othniel Charles Marsh und Edward Drinker Cope, die sich einst beim Studium im fernen Berlin kennengelernt hatten, dabei nicht nur mit Schaufel und Pinsel aus – sondern auch mit immer gemeineren Intrigen. Mit dem Paläobotaniker Dieter Uhl von der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung erzählen wir die Geschichte der »Bone Wars«.
  • Meilen statt Kilometer, Grad Fahrenheit statt Grad Celsius, Horsepower statt Watt. Fast jede Maßeinheit ist in den USA anders als in allen anderen Ländern der Welt. Mit Daniela Schneevoigt und Christina Newinger vom Deutschen Museum haben wir den amerikanischen Sonderweg nachverfolgt. Und dabei gemerkt: Auch bei uns in Europa herrschte einst maßloses Chaos, als Daumen, Handspannen, Füße, Armlängen und Co. das Maß aller Dinge waren. Weil nun mal keine zwei Körper gleich sind.

Außerdem lesen Sie in leibniz dieses Mal u.a. folgende Beiträge:

  • Der Demokratieversteher: Am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und der Harvard Universität widmet sich Daniel Ziblatt der amerikanischen Demokratie und ihren Herausforderungen. Wie kann sie sich für eine mögliche zweite Amtszeit Donald Trumps wappnen? Und: Ist es heute manchmal frustrierend, Demokratieforscher zu sein? Ein Portrait.
  • Tumult auf dem Campus: Das Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023 und die militärische Antwort Israels haben zu Protesten an amerikanischen Universitäten geführt. Mario Keßler vom Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam erklärt, wo die Konfliktlinien verlaufen und was die Auseinandersetzungen für die Linke in den USA bedeuten.
  • Wie arbeiten Denkfabriken? Er wollte mehr über die Arbeit und Bedeutung von US-Think Tanks zu erfahren – und ist dafür quer durch die USA gereist. Welche Erkenntnisse hat Achim Wambach, Präsident des ZEW ‑ Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, mit zurück nach Mannheim gebracht? Und warum sollen die Denkfabriken auch kritisch betrachtet werden? Ein Gespräch.
  • Andere Länder, andere Risse: Am Leibniz-Institut für Medienforschung I Hans-Bredow-Institut fragen wir Matthias Kettemann, wie es eigentlich sein kann, dass die amerikanische Gesellschaft noch deutlich gespaltener ist als unsere.

leibniz“ ist das Magazin der Leibniz-Gemeinschaft. In drei Schwerpunkten im Jahr, von denen einer in gedruckter Form erscheint, erzählt es aus Wissenschaft und Gesellschaft und stellt die Menschen hinter der Leibniz-Forschung vor. Alle Schwerpunkte und weitere Beiträge finden Sie unter www.leibniz-magazin.de. Die Printausgabe können Sie kostenlos abonnieren mit einer E-Mail an abo(at)leibniz-gemeinschaft.de. Ein PDF der aktuellen Printausgabe sowie aller bereits erschienenen Hefte finden Sie unter www.leibniz-magazin.de/das-heft.

Kontakt Redaktion „leibniz“
David Schelp
T 030 206049 476
schelp(at)leibniz-gemeinschaft.de

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HP-Topnews Gemeinschaft
news-6211 Tue, 02 Jul 2024 14:37:00 +0200 Podcast "Tonspur Wissen": Macht Hunger dick? https://www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/neues/forschungsnachrichten/forschungsnachrichten-single/newsdetails/podcast-tonspur-wissen-machen-hungerzeiten-spaeter-dick Hungererfahrungen in der Kindheit prägen die Essgewohnheiten bis ins spätere Leben. Warum Übergewicht oft die Folge ist, zeigt eine neue Studie. Erleben Menschen in der frühen Kindheit eine Hungersnot, zum Beispiel in Kriegszeiten, kann sich dies langfristig auf den Körper auswirken. Auch kurzzeitige Knappheiten zeigen diesen Effekt. Warum Frauen davon besonders betroffen sind und welche Faktoren noch hineinspielen, darüber spricht Ursula Weidenfeld in dieser Podcast-Folge mit Efi Adamopoulou. Sie forscht am Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung zu den Themen Konsum und Bildung sowie Arbeitsökonomie.
Podcast „Tonspur Wissen“

Der Podcast „Tonspur Wissen“ der Leibniz-Gemeinschaft wird gemeinsam mit der Rheinischen Post präsentiert. Das Format soll Wissenschaft anschaulich und verständlicher machen. Ziel ist es, aktuelle Themen mit Forschungsergebnissen zu verbinden. Moderiert wird der Podcast von Ursula Weidenfeld. Die Wirtschaftswissenschaftlerin und ehemalige Chefredakteurin der Zeitschrift „Impulse“ möchte mit ihren Fragen eine Brücke zwischen Alltagswelt und Spitzenforschung bauen. „Wir haben es verdient, Wissenschaft gut erklärt zu bekommen“, sagt sie. „Und die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verdienen es, dass wir uns für ihre Arbeit interessieren.“

Zum Podcast "Tonspur Wissen"

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News ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Raumwissenschaften Gemeinschaft
news-6210 Mon, 01 Jul 2024 13:28:00 +0200 Neuer Ansatz für Herpes-Therapie https://www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/neues/forschungsnachrichten/forschungsnachrichten-single/newsdetails/herpes-im-nanomassstab-auf-der-spur Herpesviren verlassen den Zellkern, ohne ihn zu beschädigen – ein cleverer Schachzug, dem Forschende nun auf die Spur gekommen sind.  Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung des Leibniz Instituts für Virologie (LIV) hat entschlüsselt, wie Herpesviren den Zellkern verlassen, ohne die Kernhülle zu beschädigen. Die am 25. Juni im renommierten Journal Nature Microbiology veröffentlichte Studie nutzt Kryo-Elektronentomographie, um die beteiligten Strukturen bis in die Details sichtbar zu machen. Diese Erkenntnisse könnten den Weg für die Entwicklung wirksamerer antiviraler Therapien ebnen.

Herpesvirusinfektionen sind weltweit verbreitet und verursachen erhebliche gesundheitliche und auch mentale Belastungen sowie lebensbedrohliche Komplikationen bei immungeschwächten Menschen.

Die neue Studie konzentriert sich auf das Herpes simplex Virus 1, den Erreger von Lippenherpes, und das Pseudorabies-Virus (PrV), ein Modellvirus für humane Herpesinfektionen. Die Forschenden haben verschiedene Strukturen des herpesviralen Kernaustrittskomplexes (nuclear egress complex, NEC) an der inneren Kernmembran identifiziert. Die NEC-Proteinhülle vermittelt den Transfer von Herpesvirus-Kapsiden (ikosaedrischen Proteinbehältern, die das Herpesvirus-Genom enthalten) in den Raum um den Zellkern und deren anschließende Freisetzung ins Zellplasma.

Das Forschungsteam nutzt modernste bildgebende Techniken wie die Kryo-Elektronentomographie, um die Schnittstelle zwischen dem NEC und der transportierten Virus-Kapsid-Oberfläche in infizierten Zellen strukturell zu charakterisieren. Diese Einblicke im Nanometerbereich zeigen, dass der NEC eine Schlüsselrolle beim Transport von Herpesvirus-Kapsiden spielt, ohne dabei die Kernhülle zu beschädigen. Die Ergebnisse deuten auf eine bemerkenswerte strukturelle Flexibilität des NEC hin und legen nahe, dass der Mechanismus nicht starr, sondern anpassungsfähig ist.

Dr. Vojtěch Pražák, Postdoktorand in der Abteilung Strukturelle Zellbiologie der Viren am LIV und einer der Hauptautoren der Studie, veranschaulicht: „Wie bekommt man einen Ball durch ein doppelt verglastes Fenster, ohne es zu zerbrechen? Wir können es nicht, aber Herpesviren haben herausgefunden, wie man das Äquivalent davon schafft – durch die Kernmembranen zu gelangen, ohne sie zu zerreißen. Dies ist eine sehr nützliche Fähigkeit für sie, da ein beschädigter Kern dem Immunsystem signalisieren würde, dass etwas nicht stimmt.“

„Unsere Arbeit zeigt, dass die Bildung einer NEC-Hülle an der Kernmembran der Schlüsselmechanismus ist, durch den Herpesviren aus dem Zellkern entkommen und dann ihren Zusammenbau im Zytosol der Wirtszelle abschließen“, erklärt Yuliia Mironova, Doktorandin in der Abteilung Strukturelle Zellbiologie der Viren am LIV und eine weitere Hauptautorin der Studie. „Die detaillierte Charakterisierung dieser Prozesse könnte neue Wege für die gezielte Unterbrechung der Virusvermehrung eröffnen“, ergänzt Mironova.

Frühere Studien haben die Bedeutung des NEC für den viralen Lebenszyklus hervorgehoben. Diese Studie liefert die erste detaillierte strukturelle Analyse der NEC-Viruspartikel-Schnittstelle in der zellulären Umgebung. Prof. Dr. Kay Grünewald, Leiter der Abteilung Strukturelle Zellbiologie der Viren am LIV und Stellvertretender Wissenschaftlicher Direktor des Centre for Structural Systems Biology, betont: „Wir haben untersucht, wie Proteine in NEC-Strukturen unterschiedlicher Kurvatur in Zellen interagieren und so die Flexibilität dieser Interaktionen identifiziert. Dadurch konnten wir zeigen, wie die lokale Kernmembran-ausstülpung aktiviert wird. Überraschenderweise fanden wir auch, dass die Interaktion zwischen Kapsid und NEC nicht auf bestimmte Positionen der Kapside beschränkt ist.“

Insgesamt bieten die neuen Erkenntnisse dieser Studie vielversprechende Perspektiven für die Bekämpfung von Herpesvirusinfektionen. Die strukturellen Einblicke im Nanomaßstab des Forschungsteams legen den Grundstein für das Verständnis des komplexen Kernaustritts-mechanismus, der allen Herpesviren gemeinsam ist. Dementsprechend bieten die Ergebnisse auch für andere humanpathogene Herpesviren relevante und spannende Ansatzpunkte für die Entwicklung neuer antiviraler Therapiemöglichkeiten.

Hintergrundinformationen

Herpesviren vervielfältigen ihr Erbgut im Zellkern der infizierten Wirtszelle. Dieses wird in die neuen Virus-Kapsiden verpackt, die dann den Zellkern verlassen müssen, um im Zellplasma final zu membranumgebenen Viruspartikeln zusammengebaut und schließlich aus der Zelle freigesetzt zu werden. Danach können sie benachbarte Zellen infizieren, häufig auch Nervenzellen. In letzteren besteht die Fähigkeit, dass Herpesviren latent überdauern, das heißt ohne sich aktiv zu vermehren. Damit sind sie für antivirale Medikamente nicht zugänglich. Bei Stress oder anderen Auslösern wie UV-Licht können Infektionen reaktiviert werden.

Das Pseudorabies-Virus (PrV) wird in der Studie als Modellvirus verwendet, um die Mechanismen des Herpesvirus-Austritts (nuclear egress) zu untersuchen. Herpesviren teilen viele grundlegende Mechanismen und Strukturen, daher sind Erkenntnisse, die mit PrV gewonnen werden, oft auch auf andere Herpesviren übertragbar. Dies schließt Herpesviren mit ein, die beim Menschen Krankheiten hervorrufen wie die Herpes simplex Viren 1 und 2 (HSV-1 und HSV-2), die das Lippenherpes bzw. Genitalherpes verursachen sowie das Varizella-Zoster-Virus (VZV), das Windpocken und Gürtelrose auslöst.

Derzeit nutzen antivirale Medikamente zur Behandlung von Herpesvirusinfektionen einige wenige Angriffsstellen. Sie können nur die Symptome lindern und die Dauer des akuten Ausbruchs begrenzen, sind jedoch nicht in der Lage, das Virus aus dem Körper vollständig zu eliminieren. Daher besteht nach wie vor ein Bedarf an neuen Therapien, um die Resistenz gegen die verfügbaren Virostatika wirksamer zu bekämpfen. Dies ist nicht nur wichtig, um die Lebensqualität aller von Herpesviren betroffenen Personen zu verbessern, sondern auch besonders wichtig für immungeschwächte Personen, für die Herpesvirus-Infektionen lebensbedrohlich werden können.

Originalpublikation

Molecular plasticity of herpesvirus nuclear egress analysed in situ
Doi: 10.1038/s41564-024-01716-8

Weitere Informationen und Kontakt

Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Virologie (LIV)

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News Leibniz-Institut für Virologie Lebenswissenschaften Forschungsergebnis
news-6212 Mon, 01 Jul 2024 08:31:00 +0200 Pilz frisst Plastik https://www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/neues/forschungsnachrichten/forschungsnachrichten-single/newsdetails/pilz-gegen-plastik Süßwasser-Pilze könnten helfen, Kunststoffe in unserer Umwelt abzubauen. Vier Stämme sind dabei besonders erfolgreich. Das Vorkommen von Kunststoffen in unserer Umwelt stellt eine zunehmende Belastung für die Natur und für unsere Gesundheit dar. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und der Universität Potsdam haben nun Pilze aus Süßgewässern identifiziert, die Kunststoffpolymere aus Polyurethan, Polyethylen und Reifengummi effizient abbauen können. Entgegen bisheriger Annahmen war dafür keine Vorbehandlung der Kunststoffe notwendig. Die Studie wurde in Science of the Total Environment veröffentlicht.

Kunststoffe aus Polymeren können jahrzehntelang in der Umwelt verbleiben, da sie von Bakterien im Boden oder Gewässer nicht oder nur sehr langsam abgebaut werden. Weltweit wird deshalb an praxistauglichen und nachhaltigen Methoden für den Umgang mit Kunststoff- und Gummiabfällen geforscht. Ein Forschungsteam des IGB und der Universität Potsdam hat 18 Pilzstämme aus Süßgewässern ausgewählt und ihre Fähigkeit untersucht, Polyurethan, Polyethylen und Reifengummi abzubauen. Diese gehören zu den am häufigsten in der Umwelt vorkommenden Kunststoffen. Die Ergebnisse zeigen, dass Stämme von Fusarium, Penicillium, Botryotinia, and Trichoderma ein hohes Potenzial zum Abbau von Kunststoffen besitzen.

Pilze gut an „Plastiksphäre“ angepasst

In den letzten Jahren konnten Forscherinnen und Forscher bereits zeigen, dass es Mikropilze gibt, die auch komplexe Polymere zersetzen und damit für den biologischen Schadstoffabbau – Bioremediation – geeignet sind.

Doch warum sind die Pilze so gute Kunststoff-Recycler? „Pilze produzieren Enzyme, die selbst chemische Verbindungen aus vielen Makromolekülen wie Kunststoff aufspalten können. Außerdem sind sie mit ihren invasiven Wachstumsformen und ihrer Fähigkeit, Biofilme zu bilden und mit bereits bestehenden Biofilmen zu interagieren, gut an das Leben in der Plastiksphäre angepasst“, sagt IGB-Forscher Professor Hans-Peter Grossart, der die Studie leitete.

Analysen mit dem Rasterelektronenmikroskop zeigten dem Team, dass sich die Zellwände einiger Pilze verformen, wenn sie die Kunststoffe besiedeln. „Das sind wahrscheinlich strukturelle Anpassungen der Myzelien, die es ihnen ermöglichen, beispielsweise das wasserabweisende Polyurethan zu besiedeln“, sagt Sabreen Samuel Ibrahim Dawoud, Doktorandin am IGB und Erstautorin der Studie.

Die FT-IR-Spektroskopie zur Analyse von Veränderungen in der Feinstruktur der Pilze und die DOC-Analyse zur Bestimmung ihrer Stoffwechselaktivität lieferten Hinweise darauf, dass die anfängliche enzymatische Aktivität der Pilze zur Bildung von Zwischenprodukten führt, die den Pilzen als Kohlenstoff- und Energiequelle dienen, indem sie die Konzentration des für das Pilzwachstum verfügbaren löslichen organischen Kohlenstoffs erhöhen. „So schaffen sich die Pilze durch den Abbau immer wieder neue Nahrung“, sagt Sabreen Dawoud.

Keine Vorbehandlung durch UV-Licht, Ozonisierung oder andere chemische oder thermische Verfahren nötig

Die Studie zeigte auch, dass Pilze Polymere ohne jegliche Vorbehandlung der Kunststoffe und ohne Zugabe von Zuckern als Energiequelle abbauen können.
Um den mikrobiellen Abbau von Kunststoffpolymeren zu initiieren, wurden in vielen Studien zunächst UV-Licht, Ozonierung, chemische Oxidationsmittel oder thermische Vorbehandlungen eingesetzt, um die Kunststoffpolymere effektiv zu oxidieren und reaktive funktionelle Gruppen zu erzeugen, bevor das Polymer mit Pilzen beimpft wurde. Diese Behandlungen wurden in dieser Studie nicht angewandt und scheinen für die Pilzaktivität nicht wesentlich zu sein. Es wurde jedoch noch nicht untersucht, ob solche Behandlungen die Geschwindigkeit des Abbauprozesses verändert hätten.

Und das sind die erfolgreichen Plastikfresser

Unter den ausgewählten Stämmen zeigten Stämme von Fusarium, Penicillium, Botryotinia und Trichoderma ein besonders hohes Potenzial zum Abbau von Polyethylen, Polyurethan und Reifengummi. Einige der terrestrischen Vorkommen dieser Pilze sind beim Menschen bisher nur wenig beliebt: Fusarien sind zum Beispiel in der Landwirtschaft als Schadpilze für Getreide und Mais bekannt. Auch Botryotinia kann verschiedene Pflanzenkrankheiten auslösen. Trichoderma-Arten sind Fadenpilze, die weltweit verbreitet im Boden, in Pflanzen, in verrottenden Pflanzenresten oder auch in Holz leben. Sie sind wichtige Zersetzer und stehen in Wechselwirkung mit Pflanzen, anderen Mikroorganismen und dem Boden. Arten der Gattung Penicillium spielen hingegen eine wichtige Rolle bei der Herstellung von Penicillin und Lebensmitteln wie Schimmelkäse.

Die Forschenden testeten auch, ob bestimmte Pilzarten nur bestimmte Arten von Kunststoff oder Gummi abbauen können und welcher Kunststoff am besten von Pilzen zersetzt wird. Das Ergebnis: Polyurethan erwies sich von allen getesteten Kunststoffen als am besten abbaubar. „Die Kenntnis effizienterer Pilzstämme, insbesondere für den biologischen Abbau von Polyurethan, trägt dazu bei, großtechnische Recyclingkonzepte für Kunststoffabfälle zu entwickeln“, sagt Hans-Peter Grossart.

Methodik

Die Studie beschreibt die Probenahme und Identifizierung von 18 Pilzstämmen aus den Seen Stechlin und Mirow in Nordostdeutschland und klassifiziert sie anhand der molekularen Daten ITS, SSU und LSU. Die Stämme wurden auf ihre cellulo-, lignino- und chitinolytische Aktivität und ihre Fähigkeit zum Abbau verschiedener Kunststoffe, darunter Polyethylen, Polyurethan, Reifenkautschuk und Polyethylen niedriger Dichte, untersucht. Die Abbauversuche wurden sowohl auf Agar- als auch auf Flüssigmedien durchgeführt, mit optischen Auswertungen zur Beobachtung des Kunststoffabbaus und Respirationsversuchen zur Messung des O2-Verbrauchs und der CO2-Produktion. Nach der Inkubation wurden das Frischgewicht und der gelöste organische Kohlenstoff (DOC) gemessen und die Pilzmyzelien mittels Rasterelektronenmikroskopie (REM) und Fourier-Transform-Infrarotspektroskopie (FT-IR) analysiert. Für die Datenanalyse wurde die Software R verwendet, wobei ANOVA, Dunn-Test und lineare Regression eingesetzt wurden, um die Ergebnisse zu vergleichen und Korrelationen zwischen ihnen zu bestimmen.

Kunststoff ist nicht gleich Kunststoff

PU ist eines der am weitesten verbreiteten umweltschädlichen Polymere. Es wird in vielen Industriezweigen verwendet und eignet sich besonders für langfristige Anwendungen, bspw. für Schaumstoffe, Elastomere für Sportbekleidung oder medizinische Geräte, Beschichtungen und Dichtstoffe. PU ist daher für raue Umweltbedingungen ausgelegt.
PE macht etwa ein Drittel der gesamten Kunststoffnachfrage in Europa aus, was zum Teil auf seine umfangreiche Verwendung für Verpackungen zurückzuführen ist.
Mikroplastik aus Reifen trägt zu den größten Verschmutzungen durch Mikroplastik bei, darunter Reifenabriebpartikel, recycelte Reifenkrümel und Rückstände aus der Reifenreparatur.

Originalpublikation

Sabreen S. Ibrahim, Danny Ionescu, Hans-Peter Grossart: Tapping into fungal potential: Biodegradation of plastic and rubber by potent Fungi.
Science of The Total Environment, Volume 934, 2024,173188, ISSN 0048-9697, https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2024.173188.

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Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB)

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HP-Topnews Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei Umweltwissenschaften Forschungsergebnis
news-6203 Fri, 28 Jun 2024 15:45:00 +0200 Klimawandel hat geschlechtsspezifische Folgen https://www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/neues/forschungsnachrichten/forschungsnachrichten-single/newsdetails/klimawandel-hat-geschlechtsspezifische-folgen Bereits heute legen Frauen in vielen Ländern weite Wege zur Wasserstelle zurück. Steigende Temperaturen werden die Situation verschärfen – Zeit, die verloren geht für Bildung, Arbeit und Erholung. Die Zeit, die Frauen in Haushalten ohne Trinkwasseranschluss mit Wasserholen verbringen, könnte infolge des Klimawandels bis 2050 um bis zu 30 Prozent steigen, so das Ergebnis einer neuen Studie, die in Nature Climate Change veröffentlicht wurde. Aufgrund höherer Temperaturen könnte sich in Regionen Südamerikas und Südostasiens der Zeitaufwand für das Wasserholen sogar verdoppeln. Forschende des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) haben die großen Wohlstandsverluste ermittelt, die sich daraus ergeben könnten. Sie heben hervor, dass Frauen besonders betroffen von den sich ändernden Klimabedingungen sind. Weltweit haben derzeit 2 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Die Verantwortung für das Wasserholen liegt in der Regel bei Frauen und Mädchen.

„Der Klimawandel führt zu steigenden Temperaturen und verändert die Niederschlagsmuster - das wirkt sich auf die Verfügbarkeit von Wasser aus. Unsere Studie zeigt, dass die Zeit, die Frauen in Haushalten ohne fließendes Wasser mit Wasserholen beschäftigt sind, in fast allen untersuchten Regionen durch den Klimawandel steigen wird“, sagt Studienautor Robert Carr, Gastwissenschaftler am PIK. Im Durchschnitt verbrachten Frauen in Haushalten ohne fließendes Wasser im Zeitraum von 1990 bis 2019 weltweit täglich 22,84 Minuten mit dem Wasserholen, wobei die Spanne von 4 Minuten in Teilen Indonesiens bis zu 110 Minuten in Regionen in Äthiopien reicht. „Verglichen mit diesen Zahlen, werden Frauen bis 2050 in einem Szenario mit hohen Emissionen bis zu 30 Prozent mehr Zeit pro Tag für das Wasserholen aufwenden müssen. Dieser Anstieg kann auf 19 Prozent reduziert werden, wenn die globale Erwärmung unter 2 Grad Celsius gehalten wird“, so Robert Carr.

„Regional könnte sich die tägliche Zeit zur Wasserbeschaffung bis 2050 bei einem Szenario mit weiterhin hohen Emissionen sogar verdoppeln, etwa in Regionen in Südamerika und Südostasien. Für Regionen in Ost- und Zentralafrika, in denen die Zeit, die mit Wasserholen verbracht wird, heute weltweit am höchsten ist, könnten die Wasserholzeiten um 20 bis 40 Prozent ansteigen aufgrund von höheren Temperaturen in einem Szenario mit hohen Emissionen“, sagt Autor Maximilian Kotz vom PIK. Weltweit verbringen Frauen und Mädchen insgesamt bis zu 200 Millionen Stunden pro Tag mit dieser lebenswichtigen Aufgabe (Stand 2016), die auch eine physische und psychische Belastung darstellt und dazu führen kann, dass ihnen weniger Zeit für Bildung, Arbeit und Freizeit bleibt.

Kosten verlorener Arbeitszeit könnten Dutzende bis Hunderte von Millionen US-Dollar pro Land und Jahr betragen

Auf der Grundlage von Haushaltserhebungen in 347 Regionen auf vier Kontinenten aus den Jahren 1990 bis 2019 untersuchten die Forschenden zunächst, wie sich veränderte Klimabedingungen in der Vergangenheit auf die Wasserholzeiten ausgewirkt haben. „Höhere Temperaturen und weniger Niederschlag haben in der Vergangenheit zu längeren täglichen Wasserholzeiten geführt“, sagt Maximilian Kotz. Dafür gebe es mehrere mögliche Erklärungen: „Aus rein physikalischer Sicht verändern höhere Temperaturen und weniger Niederschlag das Gleichgewicht zwischen Verdunstung und Niederschlag, wodurch die Wasserspiegel sinken. Dadurch wird der Zugang zu Süßwasser erschwert. Außerdem kann der Weg zu Wasserquellen aufgrund von Hitzestress unangenehmer werden und länger dauern.“ Die Forschenden kombinierten die beobachteten Muster mit Temperatur- und Niederschlagsprognosen modernster Klimamodelle (CMIP-6) und analysierten dann die Auswirkungen künftiger Klimaveränderungen auf die täglichen Wasserholzeiten unter verschiedenen Emissionsszenarien.

„Unsere Ergebnisse beleuchten eine geschlechterspezifische Dimension der Folgen des Klimawandels“, sagt Koautorin und PIK-Forscherin Leonie Wenz. „Sie zeigen, wie stark sich der Klimawandel auf das Wohlbefinden von Frauen auswirken wird. Durch längere Wasserholzeiten verlieren sie Zeit für Bildung, Arbeit und Freizeit. Allein die Kosten der verlorenen Arbeitszeit, berechnet anhand des länderspezifischen Mindestlohns, sind bis 2050 beträchtlich. Bei einem Szenario mit hohen Emissionen würden sie sich auf Dutzende bis Hunderte von Millionen US-Dollar pro Land und Jahr belaufen.“

Publikation

Robert Carr, Maximilian Kotz, Peter-Paul Pichler, Helga Weisz, Camille Belmin & Leonie Wenz (2024): Climate change to exacerbate the burden of water collection on women's welfare globally. Nature Climate Change. [DOI: 10.1038/s41558-024-02037-8].

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Pressemitteilung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK)

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News Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung Umweltwissenschaften Forschungsergebnis
news-6204 Thu, 27 Jun 2024 16:58:00 +0200 Kindheit und Jugend in der DDR https://www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/neues/forschungsnachrichten/forschungsnachrichten-single/newsdetails/bildungsmythen-in-der-ddr Jung sein in der DDR: Wie war das eigentlich genau? Eine neue Online-Plattform zeigt, welche Mythen das Bildungssytem prägten und wie sie entstanden. Bildung und Erziehung, Kindheit und Jugend in der DDR waren und sind bis heute Gegenstand unterschiedlicher Erzählungen und Erinnerungen. Wie war es genau und wie entstand dabei der Stoff für vielfältige Mythen? Mit diesen Fragen befasst sich der bildungshistorische Forschungsverbund „MythErz“. Ergebnisse seiner Arbeit sind nun auf einer digitalen Wissensplattform frei zugänglich – darunter Analysen und viele Quellen wie Aufzeichnungen aus dem Unterricht, Lehrfilme oder Kindheits- und Jugenderzählungen.

„Mit der Plattform wollen wir unsere Forschungsergebnisse möglichst anschaulich und mit vielfältigen Zugangsmöglichkeiten für die Öffentlichkeit aufbereiten“, erläutert Prof. Dr. Sabine Reh, Direktorin der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung (BBF) des DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation, die das neue Portal bereitstellt.

Die BBF bildet gemeinsam mit der Humboldt-Universität zu Berlin, der Universität Hildesheim und der Universität Rostock den Projektverbund „Bildungsmythen über die DDR – eine Diktatur und ihr Nachleben“ (MythErz). Die wissenschaftlichen Arbeiten werden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Die Verbundpartner untersuchen in Fallstudien wirkmächtige Bilder und Narrative über Bildung, Erziehung und Schule der DDR, die die Diktatur überdauerten. Sie dienten nach der Wiedervereinigung oft auch der positiven Erinnerung und wurden in diesem Sinne verdichtet oder verändert. Für ihre Analysen nutzen die Forschenden unerschlossene Bild-, Text-, Ton- und Film-Quellen, darunter Kinderbuch-Illustrationen, Ausschnitte aus Unterrichtsfilmen und Passagen aus Briefen. Die jetzt im neuen Portal aufbereiteten Befunde richten sich an alle inhaltlich Interessierten. Die Forschenden hoffen auf eine breite Nachnutzung der Quellen und Daten in Forschung, Lehre und Unterricht.

Die Mythen

In den Arbeiten von MythErz werden Bildungsmythen kulturwissenschaftlich analysiert und in ihrer Funktionsweise herausgearbeitet. Mythen sind dabei als oft wiederholte Narrative definiert, deren einzelne Elemente und Motive zusammen genommen für Gruppen bedeutsam und sinnstiftend sind und um deren Deutung gerungen wird. Beispielsweise wird gezeigt, wie wichtig in der DDR das schon ältere Narrativ von „Fortschritt durch Wissenschaft“ war. In ihm sind gesellschaftlicher Fortschritt und Wissenschaft eng miteinander verknüpft und Naturwissenschaft wird zu einem entscheidenden Referenzpunkt für Bildung. Der DDR-Erzählung folgend gelang die Vermittlung wissenschaftlicher Bildung dank der angeblich fortschrittlichen Weltanschauung des Marxismus-Leninismus besser als im kapitalistischen Westen.

Diesem offiziellen Anspruch folgend wurde in der DDR von Beginn an Wert auf die „Wissenschaftlichkeit“ des Unterrichts gelegt. Einen großen Schwerpunkt bildete der naturwissenschaftliche Unterricht – nicht nur in den oberen Klassenstufen. Das hieß vor allem, dass die Lehrkräfte den Unterricht an wissenschaftlicher Systematik orientierten. Lehrfilme für den Unterricht zeigten stereotype und emotional wirkende Bilder einer ausschließlich guten, weil „parteilichen“, d.h. dem Interesse des Sozialismus entsprechenden Naturwissenschaft und von engagierten, dem Volk dienenden Naturwissenschaftler*innen. Zugleich vermittelten die Lehrkräfte in Fächern wie Deutsch und Geschichte moralische Entscheidungen oder Deutungen von Literatur häufig als wissenschaftlich begründete Tatsachen. Die Idee eines an Wissenschaftlichkeit ausgerichteten DDR-Unterrichts hallte über die Wende hinaus nach. Allerdings bezogen sich Lehrkräfte nach 1989 eher – und anders als in der DDR propagiert – auf das Motiv einer neutralen Wissenschaft.

Das ist nur ein Beispiel für die auf der Plattform in ihrer Entwicklung dargestellten Bildungsmythen. „Bildung für alle“ ist eine weitere zentrale Erzählung, die eigentlich einen Kern-Mythos im gesamten mitteleuropäischen Bildungswesen seit dem 18. Jahrhundert darstellt. In der DDR spielte er aber eine besondere Rolle – etwa beim Transfer des eigenen Bildungssystems in die sogenannten „Entwicklungsländer“ wie Mosambik. Ein anderes Beispiel ist das Narrativ von der auch durch Bildung erreichten „Geschlechtergerechtigkeit“, ein wichtiges Element des Staatsverständnisses in der DDR. Die Vorstellung von Gerechtigkeit bezog sich jedoch in erster Linie auf die Integration von Frauen in die Berufs- und Arbeitswelt. Care- und Erziehungsarbeit blieb „Frauensache“ – wie ein Blick auf Kinder- und Schulbuchillustrationen zeigt. Die Besucher*innen der Plattform können sich von all diesen Mythen und ihrer Entwicklung ein differenziertes Bild machen und sie kritisch reflektieren.

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ZuR WissensplattformPressemitteilung des DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation

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News DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation Geisteswissenschaften und Bildungsforschung Forschungsergebnis
news-6205 Thu, 27 Jun 2024 14:08:00 +0200 Bedrohte IT-Sicherheit https://www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/neues/forschungsnachrichten/forschungsnachrichten-single/newsdetails/gefahr-durch-hardware-trojaner Sie sind schwer aufzuspüren und richten große Schäden an: Hardware-Trojaner. Eine Studie skizziert Schwachstellen und Angriffszenarien. Hardware-Trojaner könnten zur Gefahr werden. Im Auftrag des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) fertigten Experten des IHP – Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik die Studie „Prüfung von Manipulationsmöglichkeiten von Hardware in verteilten Fertigungsprozessen (PANDA)“ an. Das Ergebnis: In allen Teilschritten können Sicherheitseigenschaften oder die Funktionalität negativ beeinflusst werden. Um die Sicherheit in der IT-Landschaft zu erhöhen, informieren die Experten IT-Hersteller und -Dienstleister über die potenzielle Bedrohung und appellieren an die Unternehmen, in vertrauenswürdige Herstellungsprozesse und Anbieter sowie in eigene Mitarbeitende zu investieren.

„Software-Trojaner sind allgemein bekannt, die meisten von uns nutzen Antivirenprogramme, prüfen Absender vor dem Öffnen von E-Mail-Anhängen kritisch und laden Apps auf das Handy nur aus offiziellen Quellen. Als im Journal ,Bloomberg Businessweek‘ 2018 das erste Mal über einen Hardware-Trojaner berichtet wurde, war hingegen die Unsicherheit vor allem bei den Firmen groß“, sagt Prof. Dr. Peter Langendörfer, Projektleiter für die jetzt veröffentlichte PANDA-Studie. Trojaner, der Begriff geht auf die griechische Sage vom Trojanischen Pferd zurück, sind absichtliche Manipulationen, die durch einen Angreifer eingefügt werden.

„Durch die Globalisierung werden immer mehr Schritte der Fertigungskette outgesourced, häufig bekommen die günstigsten Anbieter den Zuschlag. Wenn IT-Firmen ihre Chipdesigns zur Fertigung schicken, könnten diese noch verändert werden. Bei der Bestückung von Platinen könnten diese manipuliert werden, indem beispielsweise zusätzliche Chips aufgebracht werden, die dann Informationen abgreifen und versenden“, skizziert Prof. Dr. Peter Langendörfer zwei mögliche Szenarien. Der Experte für IT-Sicherheit leitet am IHP die Abteilung „Wireless Systems“ und ist gleichzeitig Professor für das Fachgebiet „Drahtlose Systeme“ an der BTU Cottbus-Senftenberg.

Für die PANDA-Studie hat sich das BSI bewusst für das IHP entschieden, da das Forschungsinstitut durch sein vertikales Konzept zahlreiche Schritte der Fertigungskette abbilden kann. Zudem bestand durch vorherige Zusammenarbeit bereits ein Vertrauensverhältnis. Die IHP-Experten bauten die Studie sowohl auf Literaturrecherche als auch auf praktischen Experimenten in der Fertigungskette insbesondere bei der Implementierung von kryptographischen Funktionen in FPGAs und im Bereich der Fertigung von Platinen auf. So wurde beispielsweise das Mainboard eines Laptops präpariert, um zu testen, ob diese Manipulationen durch optische Verfahren, z. B. in der Qualitätskontrolle bei Eingang einer Lieferung, gefunden werden könnten. Unter Spulen und Kondensatoren wurden zusätzliche Chips versteckt. Diese fallen bei mikroskopischer Betrachtung und selbst beim Röntgen aufgrund von zahlreichen Metalllagen kaum auf. Lötpunkte und Leiterbahnen können die Zusatzchips verraten. Sind diese jedoch als Chip-on-Board mit Aluminiumbonds verdrahtet, sind sie nahezu unsichtbar.

„Durch unsere Studie wird deutlich: Manipulationen sind jederzeit möglich und IT-Hersteller müssen reagieren. Denn: Ist ein Hardware-Trojaner erst einmal vorhanden, ist er extrem schwer zu finden“, warnt Prof. Dr. Peter Langendörfer.

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Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für innovative Mikroelektronik (IHP)

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HP-Topnews Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik Mathematik, Natur- und Ingenieurwissenschaften Forschungsergebnis
news-6202 Thu, 20 Jun 2024 15:50:58 +0200 Neuer Wirkstoff in klinischer Phase https://www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/neues/forschungsnachrichten/forschungsnachrichten-single/newsdetails/neuer-wirkstoff-in-klinischer-phase Mit einer neuartigen Technologie ist es Forschenden gelungen, die Stabilität und Löslichkeit von Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten im Kampf gegen Tumorzellen zu verbessern. Wegweisende Innovationen von Forschenden des Leibniz-Forschungsinstituts für Molekulare Pharmakologie (FMP) lieferten die Basis für die Entwicklung eines Antikörper-Wirkstoff-Konjugats (ADCs) durch das Unternehmen Tubulis, das nun im Rahmen einer Phase-I/IIa-Studie bei Tumor-Erkrankten eingesetzt wird. Durch eine neue Linkerchemie, die so genannte P5-Technologie, wird der Wirkstoff sicher an sein Ziel gebracht und kann seine Wirkung zudem über lange Zeit entfalten. Die klinische Erprobung nur wenige Jahre nach der Entdeckung der P5-Technologie stellt einen bedeutenden Erfolg dar, der das Potenzial für angewandte Forschung in einem Grundlagenforschungsinstitut aufzeigt.

Um Krebserkrankungen zu bekämpfen, sind Wirkstoffe gefragt, die gezielt erkrankte Zellen ansteuern und sie vernichten – ohne dass das umliegende gesunde Gewebe oder andere Körperfunktionen Schaden nehmen, wie häufig bei klassischen Chemotherapien beobachtet. So genannte Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADCs) sind in der Lage, Tumorzellen gezielt anzugreifen, indem die Antikörper toxische Wirkstoffe an gesunden Zellen vorbei direkt am Tumor abliefern. ADCs werden bereits seit vielen Jahren eingesetzt, haben aber oft nur eine begrenzte Wirksamkeit. Das liegt vor allem daran, dass Wirkstoffe ihr Ziel, die Tumorzelle, gar nicht erst erreichen, sondern vorher abfallen. Ein Team von Prof. Hackenberger am FMP hat genau dieses Problem adressiert und die neuartige P5-Technologie entwickelt, die eine der zentralen Komponenten des vom Unternehmen Tubulis entwickelten ADCs ist. Hackenberger forscht seit knapp 20 Jahren an chemischen Verfahren, mit denen sich Proteine und Antikörper gezielt funktionalisieren lassen. Hierbei entdeckte er mit seinem Team am FMP Reaktionen, die stabile Konjugate von Wirkstoffen und Antikörpern liefern und dabei hervorragende Löslichkeits-eigenschaften aufweisen.

„Mit der P5-Technologie lassen sich hochstabile, lösliche Antikörper-Konjugate herstellen, die sich hervorragend als potenzielle Therapeutika eignen“, so Marc-André Kasper, der diese Reaktion in seiner Doktorarbeit am FMP entwickelt hat und nun die chemische Forschung bei Tubulis leitet. „Dabei fungiert der Antikörper, auf dem der Wirkstoff sitzt, als eine Art Spürhund, der die Krebszelle findet.“ Ein weiterer Vorteil der neuen Technologie ist die langanhaltende Wirksamkeit. Bereits bei einmaliger Gabe zeigte sich in präklinischen Vorstudien eine komplette Regression des Tumors, die bestehen bleibt. Frühere ADCs lösten dagegen häufig unerwünschte Nebenwirkungen aus, weil der Wirkstoff vom Antikörper abfiel, bevor er die Zielzelle erreichen konnte.

„Unser Labor und besonders ich, sind sehr stolz, dass wir mit unserer aus der Grundlagenforschung entwickelten Technologie einen wichtigen Beitrag zu einem ADC-Kandidaten liefern konnten, der jetzt in Krebspatienten erprobt wird, und dabei helfen könnte ihre Tumorerkrankung effektiv zu bekämpfen“, sagte Prof. Hackenberger, Leiter der Forschungsgruppe am FMP, das die Basis für die P5 Technologie lieferte. „Diese Technologie bietet ein großes Potential für die Entwicklung neuartiger ADC-Produktkandidaten und ich bin begeistert von den Fortschritten, die das Tubulis Team in den letzten Jahren bis zu diesem großen Meilenstein erreicht hat.“

Im nächsten Schritt wurde die P5-Technologie von der Firma Tubulis, einer gemeinsamen Ausgründung des FMP mit der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München, angewendet, um einen Topoisomerase 1-Wirkstoff mit einem spezifischen Antikörper für Ovarialkarzinom (Eierstockkrebs) sowie das Lungenkarzinom zu koppeln. Beide Tumor-Arten sind mit einer hohen Mortalität verbunden. Es entstand der ADC TUB-040, welcher nun durch das Unternehmen in einer Phase-I/IIa-Studie bei Krebspatienten in den USA, Deutschland, Spanien und dem Vereinigten Königreich getestet wird.

In naher Zukunft wird ein weiteres ADC-Molekül (TUB-030) ebenfalls in Phase-I/IIa-Studien getestet. Tubulis wird die Technologie auch in weiteren ADC-Produktkandidaten und in seinen Partnerschaften einsetzen, während das FMP weiter an der Technologie forschen und diese auf andere Gebiete der Grundlagenforschung ausweiten wird.

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Pressemitteilung des Leibniz-Forschungsinstituts für Molekulare Pharmakologie (FMP)

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News Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie Lebenswissenschaften Projekte
news-6201 Thu, 20 Jun 2024 13:18:01 +0200 Wolkenmessung auf Spitzbergen https://www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/neues/forschungsnachrichten/forschungsnachrichten-single/newsdetails/mobile-messgeraete-im-einsatz-auf-spitzbergen Klimaänderungen wirken sich in der Arktis so stark aus wie nirgendwo sonst. Woran das liegt, wird in den höheren Luftschichten untersucht. Ny-Ålesund (Spitzbergen). Mobile Messgeräte ermöglichen die Untersuchung von atmosphärischen Prozessen in höheren Luftschichten, die von klassischen Messstationen am Boden bisher nicht erfasst werden. Die luftgetragenen Flugsysteme leisten somit einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der Ursachen des Klimawandels in der Arktis. Ein Team von deutschen Forscher:innen hat in den vergangenen Wochen über Spitzbergen zwei dieser Methoden kombiniert: Es wurden zeitgleich Messungen von meteorologischen Parametern und kleinsten Aerosolpartikeln mit einem Fesselballonsystem und einem unbemannten Flugzeug durchgeführt.

Dabei wurden bereits einige Fälle beobachtet, in denen diese Neubildungsprozesse in größeren Höhen, teilweise sogar zwischen Wolkenschichten, stattfanden und somit für Bodenstationen unsichtbar waren. Diese Partikel können z.B. die Bildung von Wolken beeinflussen und damit einen Einfluss auf den Klimawandel haben. Weshalb sich die Arktis sehr viel schneller erwärmt als andere Regionen der Erde, ist allerdings bisher immer noch ungeklärt.

In den letzten Jahren ist die Arktis mehr und mehr in den Fokus der Klimaforschung gerückt, da sich die bisher beobachteten Klimaänderungen dort deutlich stärker auswirken als in anderen Regionen. Die Ursachen dafür liegen unter anderem in komplexen Wechselwirkungen zwischen Atmosphäre, Meereis und Ozean und sind schwierig zu quantifizieren und in Modellen abzubilden. Um das Verständnis für diese Prozesse und Wechselwirkungen zu verbessern, muss verstärkt vor Ort gemessen werden. Nur wenige kontinuierlich messende Stationen und mobile Messungen mit Schiffen und Flugzeugen sind bislang als Datenbasis verfügbar und liefern die notwendigen Parameter für Analysen und Modellierung.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Technischen Universität Braunschweig (TU Braunschweig) und des Leibniz-Institutes für Troposphärenforschung Leipzig (TROPOS) haben nun von Mitte Mai bis Mitte Juni 2024 in Ny-Ålesund auf Spitzbergen Messungen mit einem unbemannten Flugsystem und einem Fesselballon durchgeführt. Unterstützt werden sie vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, das auch die Französisch-Deutsche Forschungsbasis AWIPEV in Ny-Ålesund mitbetreibt.

In dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekt mit dem Namen „Aerosolvariabilität und Wechselwirkung mit den Umgebungsbedingungen auf der Grundlage der kleinräumigen vertikalen und horizontalen Verteilung von Messungen in der Arktis“ (AIDA) wird vor allem der Zusammenhang zwischen kleinräumigen Luftbewegungen und der Bildung von kleinsten luftgetragenen Aerosolpartikeln untersucht, die sich aus Gasen bilden können. Da diese kleinen Partikel weiter anwachsen können und dann Licht streuen sowie zur Entstehung von Wolken beitragen, spielen sie für das Klima eine große Rolle.

In dem Projekt kamen das unbemannte Flugzeug ALADINA sowie das Ballonsystem BELUGA zum Einsatz. ALADINA (Application of Light-weight Aircraft for Detecting IN-situ Aerosol) ist ein unbemanntes Flugzeug (Unmanned Aircraft System – UAS) vom Typ „Carolo P360“, das am Institut für Flugführung der TU Braunschweig entwickelt wurde. Es hat eine Flügelspannweite von 3,6 Metern, wiegt 25 Kilogramm und kann bis zu 4,5 Kilogramm Nutzlast transportieren. Der Akku erlaubt eine Flugzeit von bis zu 40 Minuten und eine Geschwindigkeit von bis zu über 100 Kilometern pro Stunde. Im Einsatz war das unbemannte Forschungsflugzeug bereits mehrfach – so unter anderem in der TROPOS-Messstation Melpitz bei Torgau (Sachsen), am Flughafen Berlin Brandenburg sowie in Benin in Westafrika und in Spitzbergen im Jahre 2018. Die Besonderheit dieses Flugzeugs liegt vor allem in seiner Ausstattung mit Partikelmessgeräten, die am TROPOS miniaturisiert wurden.
Das Ballonsystem BELUGA (Balloon-bornE moduLar Utility for profilinG the lower Atmosphere) besteht aus einem 90 Kubikmeter großen Fesselballon, der bis zu 20 Kilogramm Nutzlast tragen kann, sowie einer Vielzahl an Messplattformen, die speziell dafür entwickelt wurden und modular verwendbar sind. BELUGA wurde bereits während mehrerer Messkampagnen in der Arktis eingesetzt: zuerst 2017 während der Polarsternfahrt PASCAL, in der zunächst meteorologische und Turbulenzparameter betrachtet wurden. Im Rahmen des Driftexperimentes MOSAiC kam der Ballon erstmals in Kombination mit der neu entwickelten Aerosolmessplattform CAMP (Cubic Aerosol Measurement Platform) zum Einsatz sowie mit weiteren Geräten u.a. zur Messung der Sonnenstrahlung oder zur Sammlung von Partikeln auf einem Filter für die spätere Analyse. Diese verschiedenen Plattformen wurden im Anschluss bei einer Messkampagne in Ny-Ålesund eingesetzt, in der Ballonaufstiege während verschiedener Jahreszeiten durchgeführt wurden.

Erstmals zwei Flugsysteme für Messkampagne kombiniert

Die 2024er Messkampagne schließt sich an eine Reihe von arktischen Studien an, die mit beiden Systemen bereits einzeln durchgeführt wurden. In der Messkampagne zum Projekt AIDA wurden die Systeme erstmals miteinander kombiniert, um so die dreidimensionale Verteilung kleinster Aerosolpartikel über dem orographisch inhomogenen Kongsfjord zu bestimmen. Während BELUGA reine Vertikalprofile durchführte, konnte ALADINA zeitgleich die horizontale Variabilität untersuchen. BELUGA hat den Vorteil, dass es auch in Wolken betrieben werden kann, dafür ist es auf Windgeschwindigkeiten von maximal 5 Meter pro Sekunde am Boden limitiert. ALADINA fliegt unter Sichtflugbedingungen, dafür bei Windgeschwindigkeiten bis zu 15 Meter pro Sekunde. Insgesamt konnte an 4 Tagen mit beiden Systemen parallel gemessen werden. Dazu hat jedes System für sich an bis zu 5 weiteren Tagen gemessen. Da beide Systeme unterschiedliche Einschränkungen haben, was die Messbedingungen betrifft, konnte durch die Kombination eine größere Anzahl von Messtagen abgedeckt werden als mit jedem der Systeme allein. ALADINA war während der Kampagne auf Spitzbergen an 9 Messtagen im Einsatz. Dabei kamen 136 Profile bei 40 Flügen und 35 Flugstunden zusammen. Beim Fesselballon BELUGA kamen 8 Flugtage und 90 Profile zusammen.

Verschiedene Szenarien zur Partikel-Neubildung

Die Messkampagne hat bisher gezeigt, dass es verschiedene Szenarien gibt, die zur Neubildung von Partikeln in der Atmosphäre führen:
Einen sehr interessanten Fall stellte die beobachtete Partikelneubildung zwischen zwei Wolkenschichten dar, die dort mit dem Fesselballon BELUGA und parallel vom Observatorium auf dem Zeppelinberg beobachtet werden konnten. Diese Schicht kleinster Aerosolpartikel hat sich nach Auflösung der Wolken langsam abgesenkt und konnte am Ende des Tages am Boden detektiert werden.
Mit ALADINA konnte zudem ein Tag erfasst werden, bei dem extrem hohe Konzentrationen der kleinen Partikel in allen Schichten, sogar über den Zeppelinberg hinaus bis auf 900 Meter, auftraten. Dieses Phänomen wurde bei sehr starken Windgeschwindigkeiten beobachtet und mit hoher Variabilität der Partikel in der horizontalen Ausbreitung über dem Kongsfjord.

Beide Teams konnten somit eine Vielzahl von Phänomenen beobachten, die neu gegenüber den vergangenen Kampagnen waren. Gerade die sehr schnell fortschreitende Schneeschmelze und der darauffolgende Beginn des Pflanzenwachstums scheinen das Phänomen der Partikelneubildung sehr stark anzutreiben.
Um die verschiedenen Prozesse, die zur Bildung neuer Partikel führen können, zu verstehen, ist eine detaillierte Auswertung der Messdaten notwendig, die die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler während der nächsten Monate beschäftigen wird.

Originalpublikationen

Harm-Altstädter B, Voß A, Aust S, Bärfuss K, Bretschneider L, Merkel M, Pätzold F, Schlerf A, Weinhold K, Wiedensohler A, Winkler U and Lampert A (2024): First study using a fixed-wing drone for systematic measurements of aerosol vertical distribution close to a civil airport. Front. Environ. Sci. 12:1376980. <05 April 2024>. doi: 10.3389/fenvs.2024.1376980

Christian Pilz, John J. Cassano, Gijs de Boer, Benjamin Kirbus, Michael Lonardi, Mira Pöhlker, Matthew D. Shupe, Holger Siebert, Manfred Wendisch, Birgit Wehner (2024): Tethered balloon measurements reveal enhanced aerosol occurrence aloft interacting with Arctic low-level clouds. Elementa: Science of the Anthropocene 12 January 2024; 12 (1): 00120. doi: 10.1525/elementa.2023.00120

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Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS)

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HP-Topnews Leibniz-Institut für Troposphärenforschung Umweltwissenschaften Forschungsergebnis
news-6200 Wed, 19 Jun 2024 12:35:00 +0200 Unglaubwürdige Evaluierungen bei der EU-Kohäsionspolitik https://www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/neues/forschungsnachrichten/forschungsnachrichten-single/newsdetails/unglaubwuerdige-evaluierungen-in-der-eu-kohaesionspolitik Die EU-Strukturpolitik soll die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten verringern. Eine neue Studie deckt Verbesserungspotenzial bei der Erfolgskontrolle auf. Die EU-Kohäsionspolitik soll die wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten verringern. Es fehlen jedoch eindeutig definierte Ziele und einheitliche Standards für die Evaluierung der Programme. Evaluierungen werden in der Regel von nationalen oder regionalen Verwaltungsbehörden in Auftrag gegeben, die ein Interesse daran haben, den Erfolg ihrer Programme zu beweisen. Das verringert die Glaubwürdigkeit der Erfolgskontrollen.

Zu diesen Ergebnissen kommt ein Team des ZEW Mannheim und des ifo Instituts auf Basis von Daten der Cohesion Open Data Platform, die mehr als 2.500 Evaluierungen der Mitgliedstaaten aus den letzten beiden Programmperioden enthält. Die Forscher empfehlen, ein europäisches Beratungsgremium zur Evaluierung der Strukturpolitik einzusetzen.

„Die EU-Kohäsionspolitik benötigt eine transparente und unparteiische Evaluation, um sicherzustellen, dass die Mittel effizient eingesetzt und die angestrebten Ziele erreicht werden“, erklärt Friedrich Heinemann, Leiter des ZEW-Forschungsbereichs „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“. „Die Anwendung fortschrittlicher Evaluierungsmethoden und die Förderung der faktischen Unabhängigkeit der evaluierenden Personen sind Schlüsselfaktoren für eine effektive Kohäsionspolitik in der EU.“ Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung, ergänzt: „Bisherige Evaluierungen, die diese Standards nicht erfüllen, berichten teils unrealistisch hohe Wirkungen der Kohäsionspolitik und verwenden dafür wenig geeignete Methoden.“

Transparenz und Objektivität müssen hergestellt sein

Die Forscher/innen fordern, dass die Methoden zur Evaluierung genauer definiert werden müssen. Außerdem sind die Mitgliedstaaten zu verpflichten, ausreichende Ressourcen für ihre Evaluierungsprozesse bereitzustellen. Zudem sollte ein „Evaluierung zuerst“-Prinzip eingeführt werden, nach dem die Anpassungen von Kohäsionsprogrammen auf den Ergebnissen früherer Evaluationen basieren. Darüber hinaus wird die Einführung einer „Charta für Gutachter/innen“ empfohlen, die Mindeststandards für Evaluationen festlegt. All diese Forderungen zielen darauf ab, die Transparenz von Evaluierungsprozessen zu erhöhen, um eine fundierte Entscheidungsfindung und eine effektive Nutzung von Evaluierungsergebnissen zu gewährleisten.

Mehr grenzüberschreitende Evaluationen

In Bezug auf die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten sehen die Forscher/innen deutliches Potenzial für weitere Verbesserungen. Derzeit fehlt es an grenzüberschreitenden Teams bei der Erarbeitung von Evaluationen. Dazu schlagen sie vor, bei Ausschreibungen Mindestanforderungen an die Internationalität von Evaluationsteams zu stellen, wenn es um große Kohäsionsprogramme geht. Auch sollten die Evaluationen der Mitgliedstaaten einem Peer-Review unterworfen werden, in das auch Expert/-innen aus anderen Mitgliedstaaten einbezogen werden.

Originalpublikation

https://ftp.zew.de/pub/zew-docs/policybrief/en/pb08-24.pdf

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Pressemitteilung des ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung

Pressemitteilung des ifo Instituts - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e. V.

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News ifo Institut Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e. V. ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Raumwissenschaften Forschungsergebnis
news-6198 Tue, 18 Jun 2024 15:42:17 +0200 Bildungssystem am Anschlag https://www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/neues/forschungsnachrichten/forschungsnachrichten-single/newsdetails/bildungssystem-am-anschlag Fachkräftemangel und Digitalisierung setzen das Bildungssystem unter Druck. Reformen sind unabdingbar, so der nationale Bildungsbericht. Wie der aktuelle nationale Bildungsbericht „Bildung in Deutschland 2024“ zeigt, steht das Bildungssystem vor großen Herausforderungen. Dazu zählen der Mangel an Fachpersonal, eine unzureichende Finanzierung, ein hoher Transformationsbedarf durch Zuwanderung und Digitalisierung, stagnierende und zum Teil sogar sinkende Schulleistungen sowie anhaltende soziale Ungleichheiten. Zugleich ist in einigen Bildungsbereichen die Nachfrage höher als das Angebot. Eine stärkere Abstimmung zwischen Politik, Verwaltung, Praxis und Wissenschaft erscheint geboten. Das macht auch das Schwerpunktkapitel des Berichts zur beruflichen Bildung deutlich.

„Angesichts der vielschichtigen Herausforderungen für das Bildungssystem gilt es, bereichsübergreifend alle Aktivitäten und Ressourcen klug, kohärent und nachhaltig miteinander zu verzahnen. Denn das System arbeitet vielerorts bereits am Anschlag, nicht zuletzt aufgrund stetiger Aus- und Umbaumaßnahmen und der angespannten Situation beim Fachpersonal“, sagt Professor Dr. Kai Maaz, Geschäftsführender Direktor des DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation und Sprecher der für den Bildungsbericht verantwortlichen Gruppe von Wissenschaftler*innen. Er fügt hinzu: „Verschiedene weitreichende Entwicklungen bringen zusätzlichen Anpassungsdruck mit sich. So stellt etwa die Integration von Personen mit Flucht- und Migrationserfahrung inzwischen eine Daueraufgabe und große Herausforderung dar, für die es bislang keine nachhaltigen Konzepte gibt. Bildungsprozesse müssen zudem vermehrt digital gestaltet und der Kulturwandel durch die Digitalisierung mitgedacht werden.“

Der nationale Bildungsbericht wird alle zwei Jahre auf Basis von amtlichen Statistiken und sozialwissenschaftlichen Daten und Studien erstellt. Als systematische Bestandsaufnahme des gesamten Bildungswesens analysiert auch die aktuelle Ausgabe langfristige Entwicklungen und benennt neue Impulse.

Übergreifende Trends im Bildungssystem

Die finanziellen Investitionen in Bildung steigen, decken aber nicht ausreichend den Bedarf. In den vergangenen zehn Jahren sind die Ausgaben für Bildung um 46 Prozent gestiegen. Bezogen auf die Wirtschaftskraft Deutschlands ist ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt allerdings nur um 0,2 Prozentpunkte angewachsen. Um über alle Lebensphasen hinweg ein hochwertiges Bildungsangebot zu sichern, müsse das Bildungssystem flexibel und bedarfsorientiert ausfinanziert werden, so die Autor*innengruppe.

Die Zahl der Bildungseinrichtungen lag 2022 um 6 Prozent über dem Stand von 2012. Auch die Anzahl der Bildungsteilnehmer*innen hat sich 2022 im Vergleich zu 2012 erhöht – auf 17,9 Millionen Personen. Die Expansion von Bildungsangeboten hält also bei teils steigender Nachfrage an. In einigen Bereichen, etwa bei der Ganztagsbetreuung, übersteigt die Nachfrage oftmals das Angebot.

Insgesamt wird das Bildungssystem stetig, aber eher reaktiv als proaktiv um- und ausgebaut. Gerade in den vergangenen zwei Dekaden seien viele Maßnahmen ergriffen worden, um Bildungsangebote auszuweiten, ihre Qualität zu verbessern und große Förderprogramme auf den Weg zu bringen. Diese könnten jedoch allenfalls Impulse geben, aber keine strukturbildenden Maßnahmen auf rechtlicher Grundlage ersetzen, heißt es in dem Bericht.

„Vor dem Hintergrund großer gesamtgesellschaftlicher Veränderungen gilt es, einen Verständigungsprozess darüber anzustoßen, welche Ziele, Verantwortlichkeiten und Aufgaben das Bildungssystem und seine Institutionen übernehmen können und sollen“, sagt Kai Maaz. „Insgesamt müssen die Strukturen für die Steuerung des Bildungswesens so gestaltet sein, dass alle relevanten Akteur*innen abgestimmt und auf Augenhöhe zusammenarbeiten können – innerhalb und zwischen den Bildungsbereichen. Wichtig ist dabei, auf geteilte Ziele hinzuarbeiten und zu evaluieren, ob diese erreicht werden.“ Er spricht sich für ein wissenschaftsbasiertes Monitoring-System aus, das es noch nicht in allen Bundesländern gibt, das es aber ermöglichen würde, Daten von der Individualebene bis auf die Systemebene zu aggregieren. Das könne helfen, steuerungsrelevante Informationen zu individuellen Lernverläufen und den Wirkungen von Bildungsreformen zu generieren und den Aufwand in den Bildungseinrichtungen zu minimieren.

Personalmangel

Die Rekrutierung von Fachpersonal gestaltet sich in vielen Bildungsbereichen weiterhin sehr schwierig. Beispiel Kindertageseinrichtungen: Dort ist die Zahl des pädagogischen Personals in den vergangenen zehn Jahren zwar um 54 Prozent gestiegen. In Westdeutschland wird dennoch eine bis 2035 anhaltende Personallücke erwartet. In Ostdeutschland kann der Personalbedarf inzwischen weitestgehend gedeckt werden, allerdings stellt sich der Personal-Kind-Schlüssel ungünstiger dar als in den westdeutschen Bundesländern.

Im schulischen Sektor waren 2023 unter allen neuangestellten Lehrkräften 12 Prozent Seiteneinsteiger*innen ohne klassische Lehramtsausbildung – mit deutlichen Unterschieden zwischen den Ländern. Für Lehrberufsqualifikationen, die im Ausland erworben worden sind, bestehen in den Bundesländern unterschiedliche Anforderungen für deren Anerkennung. Lediglich in 14 Prozent der Fälle werden die Qualifikationen als voll gleichwertig anerkannt. Bei zwei Dritteln aller Anträge wird die Anerkennung an die Erfüllung einer Ausgleichsmaßnahme, zum Beispiel Sprachkurse, gekoppelt.

In der beruflichen Bildung ist die Lehrkräftesituation ebenfalls sehr angespannt, zumal mehr als die Hälfte der Lehrenden bereits 50 Jahre und älter ist. Auch im Weiterbildungssektor fehlt Lehrpersonal: 65 Prozent der Einrichtungen berichteten von wachsenden Problemen, geeignete Fachkräfte zu finden.

„Der Mangel an Lehrpersonal in den verschiedenen Bildungsbereichen bettet sich in einen allgemeinen Fachkräftemangel in allen Berufen und Sektoren ein. Hier braucht es kreative Ansätze, jedoch dürfen diese eine ausreichende Professionalisierung des Bildungspersonals nicht aus dem Blick verlieren“, so die Einschätzung von Kai Maaz.

Bildungserfolg und soziale Ungleichheit

Internationale und nationale Bildungsstudien haben gezeigt, dass die Schulleistungen sowohl im Primarbereich als auch in der Sekundarstufe I stagnieren oder sogar zurückgehen. Der Anteil der Kinder und Jugendlichen, die die Mindeststandards im Lesen – dem Kompetenzbereich, der die Voraussetzung für anschlussfähiges Lernen in anderen Fächern und höheren Klassenstufen darstellt – nicht erreichen, ist insgesamt und im internationalen Vergleich groß. Am Ende der Schulzeit verließen 2022 erneut mehr Jugendliche die allgemeinbildenden Schulen ohne Abschluss. Das sind 6,9 Prozent gegenüber 5,7 Prozent im Jahr 2013.

Sozial bedingte Ungleichheiten in der Bildungsbeteiligung und dem Bildungserfolg bestehen weiterhin in erheblichem Maße. Nur 32 Prozent der Kinder aus sozioökonomisch benachteiligten Familien erhalten eine Gymnasialempfehlung, verglichen mit 78 Prozent aus privilegierten Familien. Diese Disparitäten verringern sich deutlich, wenn man die Schulleistungen und Schulnoten berücksichtigt. Dennoch zeigen sich erhebliche Unterschiede in der Umsetzung der Gymnasialempfehlung: Während nur 7 Prozent der Kinder aus privilegierten Familien trotz Empfehlung kein Gymnasium besuchen, sind es bei benachteiligten Familien 17 Prozent.

Kai Maaz: „Soziale Bildungsungleichheiten ziehen sich durch die Biographie bis in die Erwachsenenbildung hinein. Vor allem, dass bei der Wahl von Bildungsangeboten Unterschiede nach sozialer Herkunft bestehen, stellt eine unverändert große Problemlage dar. Hier muss man wirksam gegensteuern, begleitend und auch präventiv. Das erfordert wiederum einen systemischen Blick auf das Bildungsgeschehen und eine lebenslaufbezogene Perspektive. Wir sollten uns außerdem bewusst machen, dass soziale Bildungsungleichheiten nicht ausschließlich dort entstehen, wo sie in Bildungsstudien sichtbar werden, sondern auch und vor allem schon in der frühen Kindheit.“

Schwerpunktkapitel „Berufliche Bildung“

In seinem Schwerpunktkapitel widmet sich der nationale Bildungsbericht der beruflichen Bildung – in den drei Bereichen Berufsausbildung, Hochschulbildung und Weiterbildung. „Die berufliche Bildung stellt sich als lebenslanger Prozess dar, der unter sehr heterogenen Bedingungen erfolgt“, fasst Kai Maaz die Analysen zusammen. Die berufliche Orientierung im Jugendalter ist von zentraler Bedeutung, da am Ende der Schulzeit erstmals ein Beruf gewählt wird, der zu den fachlichen Interessen und Kompetenzen passen sollte. Diese Passung ist entscheidend für den weiteren Bildungsverlauf. Bisherige Befunde deuten darauf hin, dass sich Jugendliche trotz zahlreicher Informationsangebote nicht ausreichend auf die Berufswahl vorbereitet fühlen. Es besteht daher weiterhin Forschungsbedarf zur Wirkung von Angeboten zur beruflichen Orientierung.

Auch die Maßnahmen im Übergangssektor sollten stärker evaluiert werden. Befunde zeigen aber, dass einige Jugendliche, die zunächst nicht in eine Ausbildung einmünden, ihre Chancen verbessern können. Dies gilt insbesondere bei Maßnahmen mit starker Betriebsanbindung oder wenn die Jugendlichen einen ersten Schulabschluss nachholen. Die Qualität der beruflichen Bildung wird insgesamt nicht systematisch gesteuert und evaluiert. Beim Einstieg in die Ausbildung oder das Studium kommt es häufig zu Verzögerungen und Kompromissen. Einmal begonnen, verlaufen beide aber in der Mehrheit der Fälle ohne Unterbrechungen. Nach dem Abschluss einer Berufsausbildung oder eines Studiums gelingt überwiegend ein Übergang in eine angemessene Erwerbstätigkeit.

Ausgewählte Ergebnisse im Bereich der beruflichen Bildung
  • Erstmals seit 1995 standen im Jahr 2022 mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung als nachgefragt wurden – jedoch bei anhaltenden großen Problemen, Angebot und Nachfrage passgerecht zusammenzubringen.
  • Gut zwei Drittel der Jugendlichen mit maximal Mittlerem Schulabschluss, die eine Ausbildung aufnehmen, beginnen diese nicht im eigentlichen Wunschberuf und gehen Kompromisse ein – etwa hinsichtlich Einkommen oder Arbeitszeiten. 8 Prozent der Auszubildenden nimmt sogar erheblich schlechtere Bedingungen in Kauf. 20 Prozent können wiederum bessere Bedingungen im Ausbildungsberuf erzielen. 
  • 78 von 100 Kindern von Akademiker*innen nehmen später ein Studium auf. Haben die Eltern keinen Studienabschluss, schaffen dagegen nur 25 von 100 Kindern den Übergang ins Studium.
  • Der Anteil formal gering qualifizierter Erwachsener, die nicht über einen beruflichen Abschluss oder eine Hochschulreife verfügen, liegt mit 17 Prozent unverändert hoch. Überdurchschnittlich viele Personen aus dieser Gruppe (40 Prozent) entstammen selbst bildungsfernen Elternhäusern.
  • In der Weiterbildung steigt der Anteil digitaler Lernformate: 35 Prozent der non-formalen Weiterbildungen wurden 2022 rein online, 20 Prozent anteilig online und 45 Prozent vollständig in Präsenz durchgeführt.
  • Im Nachgang der Corona-Pandemie engagierten sich Unternehmen nicht so aktiv in der Weiterbildung wie zuvor. So waren im ersten Halbjahr 2022 etwa 42 Prozent der Betriebe weiterbildungsaktiv. Im Vergleichszeitraum 2019 waren es noch 55 Prozent.
Über den nationalen Bildungsbericht

Der nationale Bildungsbericht „Bildung in Deutschland“ wird von einer unabhängigen Gruppe von Wissenschaftler*innen erstellt, die folgende Einrichtungen vertreten: Das DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation (Federführung), das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung – Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen (DIE), das Deutsche Jugendinstitut (DJI), das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW), das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi), das Soziologische Forschungsinstitut Göttingen (SOFI) an der Georg-August-Universität sowie die Statistischen Ämter des Bundes (Destatis) und der Länder. Die Kultusministerkonferenz (KMK) und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördern die Erarbeitung des Berichts.

Zum Bildungsbericht: www.bildungsbericht.de

Weitere Informationen und Kontakt

Pressemitteilung des DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation

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News DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation Geisteswissenschaften und Bildungsforschung Forschungsergebnis
news-6197 Mon, 17 Jun 2024 09:51:49 +0200 Fehlende Vielfalt? https://www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/neues/forschungsnachrichten/forschungsnachrichten-single/newsdetails/die-deutschen-wuenschen-sich-vielfaeltigere-nachrichten Deutsche wünschen sich mehr Perspektiven in den Nachrichten. Weniger als die Hälfte findet, dass die Medien dieser Erwartung gerecht werden. Zwei Drittel (66 %) der erwachsenen Internetnutzer:innen in Deutschland erwarten von den Nachrichtenmedien, dass diese ihnen verschiedene Perspektiven zu aktuellen Themen bieten, doch weniger als die Hälfte (43 %) sieht diese Leistung als gut erfüllt an. Noch schlechter schneiden die Nachrichtenmedien ab, wenn es darum geht, die Menschen optimistischer auf die Welt schauen zu lassen; zugleich wird dieser Aspekt allerdings als weniger wichtig erachtet. Die wichtigsten Funktionen der Nachrichtenmedien aus Sicht der Befragten sind, dass sie über das aktuelle Geschehen auf dem Laufenden gehalten werden und mehr über verschiedene Themen und Ereignisse erfahren.

Das sind Ergebnisse des Reuters Institute Digital News Report 2024, für dessen deutsche Teilstudie das Leibniz-Institut für Medienforschung in Hamburg verantwortlich ist. Insgesamt basiert die Studie auf fast 100.000 Befragten aus 47 Ländern auf sechs Kontinenten. Die Befragung in Deutschland wurde im Januar 2024 durchgeführt.

Internet überholt Fernsehen als wichtigste Quelle für Nachrichten

Um sich über aktuelle Ereignisse zu informieren, verwenden 67 Prozent der erwachsenen Internetnutzer:innen in Deutschland mindestens einmal pro Woche digitale Nachrichtenangebote auf den Websites oder Apps von Nachrichtenanbietern oder in sozialen Medien. Dabei wird die Online-Nachrichtennutzung weiterhin von traditionellen Anbietern aus TV, Radio und Print dominiert: 45 Prozent lesen, schauen oder hören regelmäßig die Inhalte etablierter Nachrichtenanbieter im Internet; bei den 18- bis 24-Jährigen sind es 47 Prozent. Im Vergleich einzelner Online-Quellen liegen jedoch soziale Medien mit einer wöchentlichen Reichweite von 34 Prozent vorn. Im Alter unter 35 Jahren kommt jede zweite Person auf Social Media  mit Nachrichteninhalten in Kontakt.

Das Internet ist nicht nur eine regelmäßig genutzte Quelle für Nachrichten, sondern stellt erstmals auch mehrheitlich die wichtigste Nachrichtenquelle der erwachsenen Online-Bevölkerung in Deutschland dar. 42 Prozent bezeichnen das Internet als ihre Hauptnachrichtenquelle, dicht gefolgt von linear ausgestrahlten Fernsehsendungen mit 41 Prozent.

15 Prozent der Befragten erhalten Nachrichten hauptsächlich in sozialen Medien. Dieser Anteil ist im Langzeitverlauf kontinuierlich angestiegen und mit 35 Prozent unter den 18- bis 24-Jährigen am größten. Für 16 Prozent der 18- bis 24-Jährigen stellen soziale Medien sogar die einzige Quelle für Nachrichten dar.

Wachsende Bedeutung von Online-Nachrichtenvideos

WhatsApp, YouTube und Facebook bleiben im Jahr 2024 die sozialen Medien mit der größten Verbreitung in der erwachsenen Online-Bevölkerung in Deutschland. Gleichzeitig werden sie anteilig von den meisten Befragten innerhalb einer Woche verwendet, um Nachrichten zu suchen, zu lesen, anzuschauen, zu teilen oder um darüber zu diskutieren (WhatsApp: 15 %, YouTube: 21 %, Facebook: 16 %). In der jüngsten Altersgruppe werden Nachrichten vor allem in jenen sozialen Medien konsumiert, die einen Fokus auf Bewegtbild haben: 27 Prozent der 18- bis 24-Jährigen kommen regelmäßig mit Nachrichteninhalten auf Instagram in Kontakt, gefolgt von YouTube mit 24 Prozent und TikTok mit 13 Prozent.

Damit verbunden ist eine wachsende Bedeutung von Online-Videos für die Verbreitung und Nutzung von Nachrichten. Knapp die Hälfte der erwachsenen Internetnutzer:innen in Deutschland (49 %) sieht sich mindestens einmal pro Woche ein kurzes Online-Nachrichtenvideo (wenige Minuten oder kürzer) an. Längere Nachrichtenvideos im Internet werden von rund einem Drittel (34 %) regelmäßig genutzt. Für 26 Prozent der Nutzer:innen von Online-Nachrichtenvideos ist die Plattform eines Nachrichtenanbieters der meistverwendete Kanal, um Online-Nachrichtenvideos anzuschauen. Knapp dahinter liegt YouTube mit 23 Prozent. 18- bis 24-Jährige konsumieren Online-Nachrichtenvideos hingegen hauptsächlich auf den Plattformen YouTube, Instagram und TikTok. Die angesehenen Videoinhalte bieten eine große Bandbreite an verschiedenen Themen, allen voran internationale Nachrichten, Innenpolitik sowie Umwelt und Klima.

Sorge über Falschmeldungen vor allem auf TikTok

Trotz der zunehmenden Nutzung von Nachrichten in sozialen Medien wird diesen tendenziell mit Skepsis begegnet. 41 Prozent der Nutzer:innen von TikTok haben Schwierigkeiten, dort zwischen vertrauenswürdigen und nicht vertrauenswürdigen Nachrichten zu unterscheiden. Ebenfalls eher misstraut wird Nachrichten, die auf der Plattform X (ehemals Twitter) verbreitet werden. Weniger Bedenken haben die Befragten im Hinblick auf Nachrichten, die sie über WhatsApp oder die Google-Suche erhalten. In Bezug auf Online-Nachrichten im Allgemeinen äußern 42 Prozent der erwachsenen Internetnutzer:innen in Deutschland Bedenken, Falschmeldungen von Fakten unterscheiden zu können (2023: 37 %). Rund ein Viertel (26 %) hat angegeben, mit (potenziell) falschen oder irreführenden Informationen zum Thema Migration sowie zum Thema Politik in Kontakt gekommen zu sein.

Transparenz und hohe journalistische Standards sind wichtigste Gründe für Nachrichtenvertrauen

43 Prozent der erwachsenen Internetnutzer:innen in Deutschland sind der Ansicht, man könne dem Großteil der Nachrichten in der Regel vertrauen. Das sind genauso viele Befragte wie im Vorjahr, allerdings handelte es sich hierbei um den niedrigsten Wert, seitdem die Frage 2015 erstmals in den Reuters Institute Digital News Survey aufgenommen wurde. Das Vertrauen in die Nachrichten, die die Befragten selbst nutzen, ist mit 53 Prozent ebenfalls stabil geblieben. Erneut sind die beiden TV-Hauptnachrichten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die beiden Angebote mit den höchsten Vertrauenswerten unter den abgefragten Marken, die den Befragten bekannt sind. Dicht dahinter liegen regionale bzw. lokale Tageszeitungen.

Erstmals wurde in der Studie untersucht, an welchen Aspekten die Menschen ihr Vertrauen in Nachrichtenmedien festmachen. Besonders wichtig war den Befragten, dass die Medien transparent kommunizieren, wie Nachrichten entstehen. 74 Prozent bewerten diesen Aspekt als eher oder sehr wichtig. Ebenfalls als wichtig eingeschätzt werden hohe journalistische Standards (72 %), eine (un)voreingenommene Berichterstattung (65 %) und eine faire Repräsentation von „Menschen wie mich“ (65 %). Weniger bedeutsam für das Vertrauen in Nachrichten ist die Frage, ob Nachrichtenmedien auf eine langjährige Geschichte zurückblicken können oder ob sie zu negativ sind.

Große Skepsis gegenüber automatisiert erstellten Nachrichten

Dem Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) im Journalismus wird überwiegend mit Skepsis begegnet. Die Hälfte der Internetnutzer:innen in Deutschland ab 18 Jahren fühlt sich bei der Nutzung von Nachrichten, die hauptsächlich durch KI mit etwas menschlicher Aufsicht produziert wurden, eher oder sehr unwohl. Etwas größer ist die Akzeptanz, wenn Nachrichten lediglich mit etwas Hilfe von KI, aber hauptsächlich von menschlichen Journalist:innen produziert wurden. Etwa ein Drittel aller Befragten (36 %) fühlt sich bei der Nutzung von solchen Nachrichten eher oder sehr wohl. 18- bis 24-Jährige sind tendenziell offener für die Nutzung von KI-Nachrichten als der Durchschnitt der Befragten. Das gilt insbesondere für überwiegend automatisiert erstellte Nachrichten zum Thema Sport, Wissenschaft und Technik sowie Prominente und Unterhaltung. Im Kontext von politischen Informationen begegnen junge Menschen dem Einsatz von KI im Journalismus jedoch auch überwiegend mit Skepsis.

Informationen zur Studie

Seit 2012 untersucht der Reuters Institute Digital News Survey jährlich über Repräsentativbefragungen in mittlerweile 47 Ländern generelle Trends und nationale Besonderheiten der Nachrichtennutzung. Die Studie wird unter Koordination des in Oxford (UK) ansässigen Reuters Institute for the Study of Journalism zeitgleich in Argentinien, Australien, Belgien, Brasilien, Bulgarien, Chile, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Hongkong, Indien1[1], Indonesien, Irland, Italien, Japan, Kanada, Kenia1, Kolumbien, Kroatien, Malaysia, Marokko1 (2024 neu hinzugekommen), Mexiko, Niederlande, Nigeria1, Norwegen, Österreich, Peru1, Philippinen, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Schweiz, Singapur, Slowakei, Spanien, Südafrika1, Südkorea, Taiwan, Thailand1, Tschechien, Türkei, Ungarn und in den USA realisiert. Pro Land wurden 2024 rund 2.000 Personen befragt. Insgesamt basiert die Studie in der zwölften Wiederholung auf den Antworten von fast 100.000 Befragten aus 47 Ländern auf sechs Kontinenten.

Die Feldarbeit in Deutschland wurde zwischen dem 10. und dem 28. Januar 2024 vom Umfrageinstitut YouGov durchgeführt, das auf der Basis von Online-Access-Panels Stichproben zog, die für Internetnutzer:innen  der beteiligten Länder ab 18 Jahren repräsentativ sind. Repräsentativ meint, dass die Stichprobe ein strukturgleiches Abbild der internetnutzenden Bevölkerung hinsichtlich der Variablen Alter, Geschlecht, Region und Bildung darstellt bzw. dementsprechend gewichtet wurde. Generell ist bei der Interpretation der Ergebnisse stets zu berücksichtigen, dass es bei der Stichprobenziehung aus Online-Access-Panels zu Resultaten kommen kann, die Aspekte der Internetaffinität und die Nutzung des Social Web etwas überschätzen. Der Standardfehler der angegebenen Werte bewegt sich in der Regel in einem Bereich zwischen einem und drei Prozent.

Das Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut ist seit 2013 als Kooperationspartner für die deutsche Teilstudie verantwortlich; die Erhebung im Jahr 2024 wurde dabei von den Landesmedienanstalten und dem Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) unterstützt.

[1] Eingeschränkte Repräsentativität der Stichprobe

Information zum Reuters Institute for the Study of Journalism

Das Institut wurde 2006 von der Thomson Reuters Foundation gegründet; es ist angesiedelt am Department of Politics and International Relations an der University of Oxford. Das Institut ist ein international aktives Forschungszentrum für vergleichende Journalismusforschung, das in seiner Forschung eine globale Perspektive verfolgt und Forschern unterschiedlichster Disziplinen ein Forum bietet, um mit Journalisten aus aller Welt zusammenzukommen. Mehr unter http://reutersinstitute.politics.ox.ac.uk/.

Originalpublikation

Die deutsche Teilstudie zum Download: https://doi.org/10.21241/ssoar.94461 (Volltext herunterladen)

Der internationale, englischsprachige Report kann unter http://www.digitalnewsreport.org/2024 abgerufen werden.

Weitere Informationen und Kontakt

Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Medienforschung │ Hans-Bredow-Institut (HBI)

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News HP-Topnews Leibniz-Institut für Medienforschung │ Hans-Bredow-Institut Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Raumwissenschaften Forschungsergebnis
news-6196 Fri, 14 Jun 2024 14:22:20 +0200 Podcast "Tonspur Wissen": Die Vier-Tage-Woche https://www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/neues/forschungsnachrichten/forschungsnachrichten-single/newsdetails/podcast-tonspur-wissen-die-vier-tage-woche Jüngere Generationen wollen immer weniger arbeiten – aber wie realistisch ist das? Die Vier-Tage-Woche erscheint vielen auf den ersten Blick attraktiv: Weniger Arbeitszeit bei gleichem Lohn – aber bitte ohne Überstunden. Ist das möglich? In der neuen Podcast-Folge spricht Ursula Weidenfeld mit Mattis Beckmannshagen. Er forscht am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung zur Entwicklung der Arbeitszeiten und weiß, dass das Gesamtarbeitsvolumen der Beschäftigten in Deutschland derzeit auf einem Rekordhoch liegt. Manche Befürchtungen in Bezug auf Arbeitszeitverkürzungen hält er dennoch für berechtigt.
Podcast „Tonspur Wissen“

Der Podcast „Tonspur Wissen“ der Leibniz-Gemeinschaft wird gemeinsam mit der Rheinischen Post präsentiert. Das Format soll Wissenschaft anschaulich und verständlicher machen. Ziel ist es, aktuelle Themen mit Forschungsergebnissen zu verbinden. Moderiert wird der Podcast von Ursula Weidenfeld. Die Wirtschaftswissenschaftlerin und ehemalige Chefredakteurin der Zeitschrift „Impulse“ möchte mit ihren Fragen eine Brücke zwischen Alltagswelt und Spitzenforschung bauen. „Wir haben es verdient, Wissenschaft gut erklärt zu bekommen“, sagt sie. „Und die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verdienen es, dass wir uns für ihre Arbeit interessieren.“

Zum Podcast "Tonspur Wissen"

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HP-Topnews DIW Berlin - Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Raumwissenschaften Gemeinschaft
news-6190 Thu, 13 Jun 2024 16:25:00 +0200 Wann entstand das braune Fett? https://www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/neues/forschungsnachrichten/forschungsnachrichten-single/newsdetails/neue-erkenntnisse-zum-heizungsorgan-bei-saeugetieren Braunes Fett wärmt Säugetiere bei ihrem Start ins Leben, gilt aber auch als Hoffnungsträger bei Krankheiten wie Adipositas. Nun gibt es neue Erkenntnisse zu seiner Evolution vor 100 Millionen Jahren. Vor etwa 100 Millionen Jahren ermöglichte ein bemerkenswerter evolutionärer Wandel den plazentalen Säugetieren, sich divers zu entwickeln und viele kalte Regionen unseres Planeten zu erobern. Neue Forschungsarbeiten der Universität Stockholm unter Beteiligung des Museums für Naturkunde Berlin zeigen, dass sich das für Säugetiere typische „Heizungsorgan“, das braune Fett, ausschließlich bei modernen Plazentasäugetieren entwickelt hat. Die Studie wurde im Wissenschaftsmagazin Science veröffentlicht.

In Zusammenarbeit mit dem Helmholtz-Zentrum München und dem Museum für Naturkunde Berlin in Deutschland sowie der University of East Anglia in Großbritannien wies das Forscherteam der Universität Stockholm nach, dass Beuteltiere, unsere entfernten Verwandten, eine nicht voll entwickelte Form des braunen Fettes besitzen. Sie entdeckten, dass das zentrale wärmeproduzierende Protein namens UCP1 erst nach der Divergenz von plazentalen Säugetieren und Beuteltieren, die auch zu den Säugetieren gehören, aktiv wurde. Beide Gruppen haben sich vor etwa 120-180 Millionen Jahren aufgespalten. Diese Erkenntnis ist entscheidend für das Verständnis der Rolle des braunen Fettes in der Evolution der Säugetiere, des Wärmehaushaltes und des Stoffwechsels. „Unsere Studie ist ein wichtiger Beitrag zum Verständnis der Entstehung und Regulierung von braunem Fett“, sagt Susanne Keipert, Co-Erstautorin der Studie. „Die energieverbrauchende Funktion des braunen Fettes steht im Mittelpunkt der medizinischen Forschung, da braunes Fett das Potenzial hat, Adipositas, Diabetes und kardiometabolische Erkrankungen zu verbessern, die alle ein pandemisches Ausmaß erreicht haben und zu den größten Bedrohungen für unser Gesundheitssystem gehören.“

Diese Arbeit ist der jüngste Meilenstein des Jastroch-Labors an der Universität Stockholm, das Pionierarbeit bei der Erforschung der Evolution der Wärmeproduktion bei Säugetieren geleistet und diese evolutionären Erkenntnisse in das Verständnis menschlicher Stoffwechselkrankheiten integriert hat. Das Museum für Naturkunde Berlin arbeitet seit mehreren Jahren mit dem Jastroch-Labor zusammen, um diesen Aspekt der Säugetierevolution zu erforschen.

Mithilfe von Bioinformatik-Tools für UCP1-Sequenzinformationen von vielen Tieren rekonstruierten die Forschenden das ursprüngliche UCP1 Stammplazentalia, wie es vor etwa 110 Millionen Jahren bestanden haben könnte. Sie fanden heraus, dass dieses alte Protein Wärme produzieren konnte, was auf das Vorhandensein von wärmeproduzierendem braunem Fett beim Vorfahren der Plazentasäugetiere hindeutet. Diese Innovation ermöglichte es den plazentalen Säugetieren wahrscheinlich, in den neuen kalten Umgebungen zu gedeihen. Bei Beuteltieren hingegen produziert UCP1 trotz vieler Gemeinsamkeiten mit den placentalen Säugetieren nach diesen neuen Erkenntnissen keine Wärme.

FACTS über braunes Fett:

Braunes Fett ist ein einzigartiges Heizungsorgan bei plazentalen Säugetieren, das durch ein Protein namens Uncoupling Protein 1 (UCP1) Wärme produziert. Das UCP1-Protein verwandelt die Mitochondrien, die Kraftwerke der Zellen, in kleine Heizeinheiten, welche Fett und Zucker direkt in Wärme umwandeln.

Das braune Fett ermöglicht es neugeborenen placentalen Säugetieren, einschließlich menschlicher Säuglinge, den Kältestress nach dem Verlassen des warmen Mutterleibs zu überleben. Es hilft, die Körpertemperatur in der Kälte aufrechtzuerhalten, da die unreifen Muskeln nicht ausreichend zittern können. Später im Leben kann das braune Fett vor metabolischen Komplikationen schützen, indem es überschüssiges Fett und Zucker verbrennt. Das Verständnis der Funktionsweise des braunen Fettes ist entscheidend für die Entwicklung therapeutischer Maßnahmen bei Stoffwechselstörungen.

Originalpublikation

“Two-stage evolution of mammalian adipose tissue thermogenesis” published in Science at: DOI: 10.1126/science.adg1947 

Weitere Informationen und Kontakt

Pressemitteilung des Museums für Naturkunde - Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung (MfN)

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News Museum für Naturkunde - Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung Lebenswissenschaften Forschungsergebnis
news-6195 Thu, 13 Jun 2024 09:34:07 +0200 Podcast "Tonspur Wissen": Internet-Bewertungen https://www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/neues/forschungsnachrichten/forschungsnachrichten-single/newsdetails/podcast-tonspur-wissen-internet-bewertungen Fünf Sterne sollten es schon sein: Viele Menschen vertrauen auf Online-Bewertungen. Doch wie verlässlich sind sie wirklich? Die Urlaubszeit steht vor der Tür und die nächste Reise will gut geplant sein. Bei der Wahl des Hotels oder Restaurants verlassen sich viele auf Online-Bewertungen. Doch wie kommen diese eigentlich zustande und wie glaubwürdig sind sie? Mit Rebecca Janßen, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim, bespricht Ursula Weidenfeld in dieser Podcast-Folge, wie Verbraucher authentische Bewertungen erkennen können.
Podcast „Tonspur Wissen“

Der Podcast „Tonspur Wissen“ der Leibniz-Gemeinschaft wird gemeinsam mit der Rheinischen Post präsentiert. Das Format soll Wissenschaft anschaulich und verständlicher machen. Ziel ist es, aktuelle Themen mit Forschungsergebnissen zu verbinden. Moderiert wird der Podcast von Ursula Weidenfeld. Die Wirtschaftswissenschaftlerin und ehemalige Chefredakteurin der Zeitschrift „Impulse“ möchte mit ihren Fragen eine Brücke zwischen Alltagswelt und Spitzenforschung bauen. „Wir haben es verdient, Wissenschaft gut erklärt zu bekommen“, sagt sie. „Und die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verdienen es, dass wir uns für ihre Arbeit interessieren.“

Zum Podcast "Tonspur Wissen"

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HP-Topnews ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Raumwissenschaften Gemeinschaft
news-6189 Wed, 12 Jun 2024 15:48:00 +0200 Friedensgutachten 2024 https://www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/neues/forschungsnachrichten/forschungsnachrichten-single/newsdetails/welt-ohne-kompass Kriege, Gewalt und Krisen: In einer Welt ohne Kompass formulieren Deutschlands führende Friedensforschungsinstitute Empfehlungen an die Politik. Die Zahl der weltweiten Todesopfer durch Kriege und Konflikte ist auf einem Höchststand: Die Kriege in der Ukraine und in Gaza, Militärputsche und dschihadistische Gewalt in Afrika fordern zehntausende Opfer. Zugleich stockt der Kampf gegen Klimawandel, Armut und Hunger. In Europa und den USA setzen autoritäre und extremistische Bewegungen Demokratien unter Druck. Das ist die weltpolitische Ausgangslage des Friedensgutachtens 2024. Deutschlands führende Friedensforschungsinstitute sprechen darin Empfehlungen an die Politik aus, wie sich Konfliktursachen verringern und Gewaltspiralen durchbrechen lassen.

Viele politische Erfolge der 1990er und 2000er Jahre sind scheinbar dahin: Multilaterale Verträge erodieren, internationale Institutionen verlieren an Einfluss und demokratische Errungenschaften, wie die Unabhängigkeit der Justiz oder die Pressefreiheit, werden selbst in europäischen Ländern beschnitten. In dieser Welt, die offenbar keinen Kompass mehr hat, stellen Deutschlands führende Friedensforschungsinstitute Orientierungspunkte vor.

Brutaler Überfall und menschliches Leid: Neuer Krisenherd Gaza

Der Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 hat Israel tief erschüttert: Mehr als 1.000 Menschen wurden bei dem brutalen Massaker ermordet, weitere 250 verschleppt. Die Gräueltaten der Hamas, die das Existenzrecht Israels negiert, hat die Weltgemeinschaft schockiert.

Bei allem Recht zur Selbstverteidigung sehen die Friedensforschungsinstitute die militärische Reaktion der israelischen Armee im Gazastreifen aufgrund der vielen zivilen Opfer jedoch kritisch. Nach Ansicht der Friedensforscher*innen verstößt Israel dabei gegen das humanitäre Völkerrecht. Die Bundesregierung sollte sich für die Befolgung der Entscheidungen der internationalen Gerichte einsetzen. Für eine kurzfristige Entlastung der Menschen vor Ort müsse es zunächst darum gehen, die humanitäre Lage im Gazastreifen zu verbessern, auf die Befreiung der Geiseln hinzuwirken und eine Waffenruhe zu erzielen, fordert das Friedensgutachten 2024. Gleichzeitig muss an einer tragbaren Friedenslösung für die gesamte Region gearbeitet werden. Die Bundesregierung sollte trotz aller politischen Widerstände auf eine international verantwortete Übergangsphase für den Gazastreifen nach Kriegsende hinarbeiten, die humanitäre Versorgung, wirtschaftliche Erholung und politische Perspektiven ermöglicht. Langfristig sollte sich die Bundesregierung für eine Zweistaatenlösung einsetzen, auch wenn diese derzeit kaum realisierbar ist.

Waffen, Diplomatie und internationale Unterstützung für die Ukraine

Im Krieg gegen die Ukraine gilt es, militärische Logik und diplomatische Ansätze klug miteinander zu verzahnen. Die Expert*innen des Friedensgutachtens plädieren dafür, den Druck auf Russland etwa in Form von Sanktionen aufrechtzuhalten und die Ukraine weiterhin militärisch zu unterstützen. Um mittelfristig Friedensverhandlungen mit Russland aufnehmen zu können, braucht die Ukraine verlässliche Sicherheitsgarantien des Westens, konstatieren die Friedensforscher*innen. Schon jetzt sollten Form und Inhalt von Friedensverhandlungen vorbereitet und etwaige Drittparteien ausgelotet werden.

Entwicklungszusammenarbeit mit Putschisten und Autokraten definieren

Mehr als die Hälfte der weltweiten Gewaltkonflikte findet in Sub-Sahara Afrika statt, zumeist als Kämpfe zwischen Regierungen und dschihadistischen bewaffneten Gruppen. In den vergangenen Jahren verschärften sieben Staatsstreiche in Westafrika die instabile Lage. Die drei Militärregime in Mali, Burkina Faso und Niger fanden vor allem in Russland einen neuen Sicherheitspartner. Alle drei Länder spielen eine zentrale Rolle bei der weiteren Entwicklung der Sahelzone. Zudem ist ihre humanitäre und sicherheitspolitische Entwicklung von transnationaler Bedeutung, vor allem was Migration und illegalen Handel betrifft. Die Bundesrepublik sollte sich deshalb dort weiter diplomatisch und entwicklungspolitisch engagieren sowie Leitlinien für den Umgang mit Putschisten und Autokraten definieren.

Armut, Hunger und Gewaltkonflikte bedingen sich gegenseitig

Die Begrenzung des Klimawandels und die Bekämpfung von Armut, Hunger und sozialer Ungleichheit gelingen nicht in dem Umfang, in dem es geboten wäre. Nur 15% der Nachhaltigkeitsziele, die sich die Weltgemeinschaft 2015 gesetzt hatte, konnten bislang erreicht werden. Die Expert*innen des Friedensgutachtens empfehlen, lokale Akteure und Strukturen künftig stärker verantwortlich in die Entwicklungszusammenarbeit einzubeziehen und diese zugleich in internationale und nationale Hilfsstrukturen einzubetten.

2023 war das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Ernteausfälle, Überflutungen und weitere Folgen des Klimawandels zerstören Lebensgrundlagen. Insbesondere in Ländern des Globalen Südens nehmen Armut und soziale Ungleichheit zu – die häufigsten Ursachen für Gewalt, wie die Militärputsche in Westafrika zeigen. Steigt die Zahl der bewaffneten Konflikte, steigt auch die Zahl der Vertriebenen.

Durch Rüstungskontrolle Gefahr einer nuklearen Eskalation verringern

2023 stiegen die Rüstungsausgaben weltweit. Eine effektive Rüstungskontrollpolitik kann teure Rüstungsdynamiken, das Risiko weiterer militärischer Konfrontationen und die Gefahr einer nuklearen Eskalation einhegen. Neue Technologien wie Künstliche Intelligenz oder unbemannte Waffensysteme revolutionieren die Kriegsführung. Gleichzeitig erhöhen sie die Reaktionsfähigkeit auf dem Schlachtfeld und vergrößern dadurch das Eskalationsrisiko in Konflikten. International verbindliche Regeln für die Entwicklung und den Einsatz dieser Technologien sind dringend geboten. IT-Systeme und kritische Infrastrukturen sollten besser vor Angriffen geschützt werden.

Widerstandsfähigkeit demokratischer Institutionen stärken

Kriege und Konflikte bestimmen nicht nur die Außenpolitik, Demokratien stehen auch innenpolitisch unter Druck: Viele Menschen verlieren das Vertrauen in demokratische Institutionen. Populistische, extremistische und autoritäre Bewegungen gewinnen an Einfluss. Die Politik sollte Unzufriedenheit und soziale Missstände ernst nehmen und demokratische Institutionen schützen und stärken, damit ihre Unabhängigkeit auch bei wechselnden Mehrheitsverhältnissen sichergestellt ist.

Zum aktuellen Friedensgutachten

Die zentralen Empfehlungen der deutschen Friedens- und Konfliktforschungsinstitute an die Bundesregierung finden Sie unter: https://www.friedensgutachten.de/2024/ausgabe/stellungnahme/FGA2024_Stellungnahme.pdf
Das vollständige Friedensgutachten, ausführliche Informationen, Zahlen und Einschätzungen stehen unter https://www.friedensgutachten.de zum Download bereit.

Veranstaltungen

Im Anschluss an die Bundespressekonferenz stellen die Institute das Friedensgutachten im Bundeskanzleramt, im Bundespräsidialamt, in den Ministerien und Fraktionen vor. Am 11. Juni ab 18 Uhr lädt die Evangelische Akademie zu Berlin zur öffentlichen Diskussion des Friedensgutachtens in einem Abendforum in der Französischen Friedrichstadtkirche ein. Wolfgang Ischinger spricht die Keynote. Informationen zu dieser und weiteren Veranstaltungen finden Sie auf der Webseite des Friedensgutachtens https://www.friedensgutachten.de.

Über das Friedensgutachten und die herausgebenden Institute

Das Friedensgutachten ist die jährlich erscheinende Publikation des Bonn International Centre for Conflict Studies (bicc), des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH), des Instituts für Entwicklung und Frieden (INEF) der Universität Duisburg-Essen und des Leibniz-Instituts für Friedens- und Konfliktforschung (PRIF). Die führenden deutschen Friedens- und Konfliktforschungsinstitute analysieren darin aktuelle internationale Konflikte, zeigen Trends der internationalen Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik auf und geben klare Empfehlungen für die Politik. Interdisziplinäre Autor*innenteams arbeiten gemeinsam an den Kapiteln und bringen verschiedene Blickwinkel ein.

Das Friedensgutachten erscheint im transcript-Verlag. Die digitale Version (ISBN: 978-3-8394-7421-1) ist kostenfrei zugänglich (open access) unter https://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-7421-7/friedensgutachten-2024 sowie auf https://www.friedensgutachten.de. Die Printversion (ISBN: 978-3-8376-7421-7 ) ist im Buchhandel für 15 Euro erhältlich.

Weitere Informationen und Kontakt

Pressemitteilung des PRIF - Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung (PRIF)

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News PRIF - Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Raumwissenschaften Forschungsergebnis
news-6184 Mon, 10 Jun 2024 12:54:00 +0200 Alt werden, gesund bleiben https://www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/neues/forschungsnachrichten/forschungsnachrichten-single/newsdetails/lang-leben-gesund-bleiben Ein langes Leben ohne Diabetes, Krebs und Herzkrankheiten: Eine neue Studie nennt entscheidende Faktoren. Das Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie – BIPS hat in einer aktuellen Studie wesentliche Fortschritte bei der Identifizierung von Gesundheitsmarkern gemacht, die für ein langes und gesundes Leben entscheidend sind. Unter der Leitung von Prof. Dr. Krasimira Aleksandrova und in enger Zusammenarbeit mit dem Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) liefert die Forschung wertvolle Erkenntnisse für ein gesundes Altern.

In der Studie, die in der Zeitschrift Age and Ageing veröffentlicht wurde, analysierten Aleksandrova und ihr Team spezifische Kombinationen molekularer Marker, die verschiedene biologische Prozesse widerspiegeln und als mögliche Indikatoren für gesundes Altern dienen. Dabei ging es vor allem darum, bestimmte Kombinationen von Blut-Biomarkern zu identifizieren, die dazu beitragen können, Menschen, die ein hohes Alter bei guter Gesundheit erreichen, von solchen zu unterscheiden, die chronische Krankheiten wie Diabetes, koronare Herzkrankheiten und Krebs entwickeln. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass Menschen, die ein hohes Alter erreichen und frei von chronischen Krankheiten bleiben, die optimalen Werte bestimmter Kombinationen von Stoffwechselprodukten, die mit Insulinsensitivität und Entzündungen verbunden sind, während der späten Lebensphasen beibehalten haben“, erklärt Aleksandrova. Dies könnte auf einen gemeinsamen Schutzmechanismus hinweisen, der das Risiko altersbedingter Krankheiten verringert. Sie fügt an: „Wenn wir diese Marker und ihre komplexen Zusammenhänge verstehen, können wir besser einschätzen, welche Präventionsmaßnahmen ergriffen werden müssen, um chronische Krankheiten zu vermeiden und die Lebensqualität im Alter zu verbessern.“

Methodik der Studie

Für die Studie wurden Daten von einer großen Gruppe älterer Erwachsener gesammelt, die an der EPIC-Potsdam-Studie (EPIC: European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition) teilnahmen. Diese umfasste 27.548 Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Alter zwischen 34 und 65 Jahren, die zwischen 1994 und 1998 in Potsdam und Umgebung rekrutiert wurden. Zu Beginn der Studie unterzogen sich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer umfassenden anthropometrischen Messung und machten Angaben zu ihrem Lebensstil und ihrer Ernährung. Darüber hinaus wurden von 26.437 Teilnehmern Blutproben entnommen. Diese Gruppe wurde mehrere Jahre lang beobachtet, wobei alle 2-3 Jahre Informationen über neue chronische Krankheiten gesammelt wurden.
Für die aktuelle Studie wurde eine zufällig ausgewählte Untergruppe von 2.500 Personen gebildet. Aus dieser Gruppe wurden Teilnehmerinnen und Teilnehmer ausgeschlossen, die bereits an bestimmten Krankheiten litten oder deren Diagnosen unklar waren, so dass 2.296 Teilnehmerinnen und Teilnehmer für die Analyse übrigblieben. Von diesen Teilnehmerinnen und Teilnehmern wurden die Konzentrationen von 13 spezifischen Biomarkern im Blut mit Hilfe etablierter Labortests und Protokolle quantifiziert. Zu diesen Markern gehörten Moleküle, die den Zucker- und Fettstoffwechsel, die Leber- und Nierenfunktion, die Insulinempfindlichkeit und Entzündungen widerspiegeln.

Datenanalyse und Ergebnisse

Mithilfe innovativer statistischer Modellierung konnte das Forschungsteam mehrere Kombinationen von Molekülen isolieren, die Gruppen von Personen in Bezug auf gesundes Altern charakterisierten. Die Studie definierte gesundes Altern als Erreichen des 70. Lebensjahres ohne Entwicklung einer chronischen Krankheit wie Diabetes, koronare Herzkrankheit oder Krebs. Die Analyse ergab, dass Personen, die hohe Konzentrationen von High-Density-Lipoprotein-Cholesterin, dem so genannten „guten Cholesterin“, des Fetthormons Adiponektin und des Insulin-ähnlichen Wachstumsfaktor-Bindungsproteins-2 sowie niedrige Triglyceridwerte aufwiesen, eine höhere Wahrscheinlichkeit hatten, im Alter ohne chronische Krankheiten zu leben, als ihre Altersgenossen.

„Unsere Ergebnisse zeigen, wie wichtig es ist, Kombinationen mehrerer Biomarker zu untersuchen, anstatt einzelne Moleküle isoliert zu betrachten“, erklärt Aleksandrova. Sie führt weiter aus: „Unsere Studie verlagert den Schwerpunkt von einzelnen Krankheiten auf ein zusammengesetztes Bild des gesunden Alterns. Anstatt zu versuchen, sich auf einzelne Moleküle und einzelne Krankheitsfolgen zu konzentrieren, sind wir daran interessiert, die komplexen Wege zu verstehen, die eine gesunde Langlebigkeit fördern. Dieser Paradigmenwechsel spiegelt sich auch in den Aktivitäten des Leibniz-Forschungsverbundes Altern und Resilienz wider, an dem unser Institut beteiligt ist. Wichtig ist, dass die Studie auch gezeigt hat, dass die günstigen Biomarkerprofile durch individuelle Verhaltensweisen beeinflusst werden können, z. B. durch ein gesundes Gewicht, Nichtrauchen und eine ausgewogene Ernährung - insbesondere durch den Verzicht auf stark verarbeitetes und rotes Fleisch und einen hohen Anteil an unterschiedlichen Obst- und Gemüsesorten.“

Das Team betont, dass weitere Studien mit einer breiteren Palette von Biomarkern erforderlich sind, um die biologischen Wege, die zur Erhaltung der Gesundheit im Alter beitragen, besser zu verstehen.

5 Tipps für gesundes Altern
Eine ausgewogene Ernährung einhalten:

Neben dem Verzehr von viel frischem Obst und Gemüse und einer begrenzten Aufnahme von verarbeiteten Lebensmitteln kann die Aufnahme von gesunden Fetten in die Ernährung dazu beitragen, den HDL-Cholesterinspiegel (HDL-C) zu erhöhen. So erhöhen beispielsweise Lebensmittel wie Avocados, Nüsse und fetter Fisch (wie Lachs und Makrele), den HDL-C-Spiegel.

Körperlich aktiv bleiben:

Regelmäßige Bewegung trägt zur Verbesserung der Stoffwechselgesundheit bei und kann den Adiponektinspiegel erhöhen, was wiederum Entzündungen reduziert und die Insulinresistenz verbessert. Empfehlenswert sind Aktivitäten wie Gehen, Laufen, Radfahren oder Schwimmen.

Auf ein gesundes Körpergewicht achten:

Die Aufrechterhaltung eines gesunden Körpergewichts und die Reduzierung des Körperfetts sind wichtig, um niedrige Triglyceridwerte zu erhalten und die allgemeine Stoffwechselgesundheit zu fördern. Dies kann durch eine Kombination aus gesunder Ernährung und regelmäßiger körperlicher Betätigung erreicht werden.

Nicht rauchen:

Rauchen hat negative Auswirkungen auf die Lipidprofile und die allgemeine Gesundheit. Nicht zu rauchen oder mit dem Rauchen aufzuhören kann helfen, den HDL-C-Spiegel und andere wichtige Biomarker zu verbessern.

Stress und Ängste in den Griff bekommen:

Chronischer Stress kann negative Auswirkungen auf Entzündungen und den Stoffwechsel haben. Einfache Praktiken wie ausreichend Schlaf, Spazierengehen und Techniken wie Meditation, Yoga und Achtsamkeit können dazu beitragen, das Stressniveau zu senken und damit die allgemeine Gesundheit zu fördern.

Originalpublikation

Robin Reichmann, Matthias B Schulze, Tobias Pischon, Cornelia Weikert, Krasimira Aleksandrova, Biomarker signatures associated with ageing free of major chronic diseases: results from a population-based sample of the EPIC-Potsdam cohort, Age and Ageing, Volume 53, Issue Supplement_2, May 2024, Pages ii60–ii69, https://doi.org/10.1093/ageing/afae041

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Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS)

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HP-Topnews Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie Lebenswissenschaften Forschungsergebnis
news-6158 Mon, 10 Jun 2024 11:41:00 +0200 KI entschlüsselt Genregulationscode https://www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/neues/forschungsnachrichten/forschungsnachrichten-single/newsdetails/deep-learning-fuer-neue-pflanzengenome Pilz-Resistenzen, Samenzahl, Geschmack oder Fruchtfarbe: Neue Deep-Learning-Modelle können helfen, die Aktivität von Genen besser zu verstehen – und Nutzpflanzen entsprechend zu optimieren. Die Aufklärung der Beziehung zwischen Sequenzen von regulatorischen Elementen und ihren Zielgenen ist der Schlüssel für das Verständnis der Genregulation und ihrer Variation zwischen Pflanzenarten und Ökotypen. Ein Forschungsteam unter Führung des IPK Leibniz-Instituts und mit Beteiligung des Forschungszentrums Jülich hat jetzt „Deep-Learning“-Modelle entwickelt, die Gensequenzdaten mit der mRNA-Kopienzahl für mehrere Pflanzenarten verknüpfen und die regulatorische Wirkung von Gensequenzvariationen vorhersagen. Die Ergebnisse wurden in der Zeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht.

Mit der Sequenzierungstechnologie ist es heute möglich, jährlich Tausende neue Pflanzengenome zu entschlüsseln. Forscherinnen und Forscher verbinden diese genomischen Informationen mit Daten zu verschiedenen Pflanzenmerkmalen. Ziel ist es, Korrelationen zwischen genetischen Varianten und Pflanzenmerkmalen wie der Anzahl der Samen, der Resistenz gegen Pilzbefall, der Fruchtfarbe oder dem Geschmack zu ermitteln. Bisher fehlt allerdings das umfassende Verständnis dafür, wie genetische Variation die Genaktivität auf molekularer Ebene beeinflusst. Dies schränkt die Möglichkeiten ein, „intelligente Nutzpflanzen“ mit verbesserter Qualität und geringeren negativen Auswirkungen auf die Umwelt zu züchten.

Forschern des IPK Leibniz-Instituts und des Forschungszentrums Jülich (FZ) ist jetzt ein Durchbruch bei der Bewältigung dieser Herausforderung gelungen. Unter der Leitung von Dr. Jedrzej Jakub Szymanski trainierte das internationale Forscherteam interpretierbare „Deep-Learning“-Modelle, eine Untergruppe von KI-Algorithmen, auf einem riesigen Datensatz mit genomischen Informationen aus verschiedenen Pflanzenarten. „Diese Modelle waren nicht nur in der Lage, die Genaktivität anhand von Sequenzen genau vorherzusagen, sondern auch festzustellen, welche Sequenzteile diese Vorhersagen ermöglichen“, erklärt der Leiter der IPK-Arbeitsgruppe „Netzwerkanalyse und Modellierung“. Die von den Forschern angewandte KI-Technologie ist vergleichbar mit derjenigen, die im Bereich des Computersehens eingesetzt wird, wo es darum geht, Gesichtszüge in Bildern zu erkennen und auf Emotionen zu schließen.

Im Gegensatz zu früheren Ansätzen, die auf statistischer Anreicherung beruhen, entwickelten die Forscher hier ein mathematisches Modell, das anhand von genomischen Sequenzmerkmalen die mRNA-Kopienzahl voraussagen kann. Das Modell berücksichtigt die Struktur des Genmodells und die Sequenzhomologie, also die Genevolution.

„Wir waren wirklich erstaunt über die Effektivität. Innerhalb weniger Tage Training haben wir viele bekannte regulatorische Sequenzen wiederentdeckt und festgestellt, dass etwa 50 Prozent der identifizierten Sequenzmerkmale völlig neu waren. Die Modelle ließen sich sogar hervorragend auf Pflanzenarten anwenden, für die sie nicht trainiert wurden. Das macht sie für die Analyse neu sequenzierter Genome so wertvoll“, sagt Dr. Jedrzej Jakub Szymanski.

„Wir haben speziell ihre Anwendung für verschiedene Tomatensorten mit sogenannten ‚Long-Read-Sequenzdaten‘ getestet. Dabei konnten wir spezifische regulatorische Sequenzvariationen identifizieren, die die beobachteten Unterschiede in der Genaktivität und folglich auch der Form, Farbe und Robustheit der Pflanzen erklären. Und dies ist eine bemerkenswerte Verbesserung gegenüber den klassischen statistischen Assoziationen von Einzelnukleotid-Polymorphismen, bei denen es nur um einzelne DNA-Basen geht.“

Das Team hat seine Modelle öffentlich zugänglich gemacht und eine Webschnittstelle für die Nutzung bereitgestellt. „Um zu optimistische Ergebnisse zu vermeiden, die darauf zurückzuführen sind, dass die KI Abkürzungen findet, mussten wir tief in die Biologie der Genregulation eintauchen, um mögliche Verzerrungen zu beseitigen und Datenverluste und Überanpassungen zu reduzieren“, erläutert Fritz Forbang Peleke, leitender Forscher für maschinelles Lernen und Erstautor der Studie, die in der Zeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht wurde.

Dr. Simon Zumkeller, Mitautor und Evolutionsbiologe am FZ Jülich, sagt: „Die von uns vorgestellten Analyseansätze bieten Möglichkeiten, die Genregulation in Pflanzen besser und sogar auf evolutionärer Ebene zu untersuchen. Auch für die praktische Anwendung gibt es mit der von uns beschriebenen Methode eine neue Basis. Mit ihr nähern wir uns der routinemäßigen Identifizierung regulatorischer Genelemente in bekannten und neu sequenzierten Genomen, in verschiedenen Geweben und unter verschiedenen Umweltbedingungen.“

Originalpublikation

Peleke et al. (2024): Deep learning the cis-regulatory code for gene expression in selected model plants. Nature Communications. DOI: 10.1038/s41467-024-47744-0

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Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK)

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News Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung Lebenswissenschaften Forschungsergebnis
news-6185 Fri, 07 Jun 2024 23:36:00 +0200 Zuckersteuer für gesündere Getränke https://www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/neues/forschungsnachrichten/forschungsnachrichten-single/newsdetails/softdrinks-ohne-schlechtes-geldwissen Die Deutschen lieben ihre Softdrinks, doch zu viel Süßes macht krank. Forschende empfehlen eine Zuckersteuer nach britischem Vorbild. Um die Folgen eines zu hohen Zuckerkonsums – sowohl für einzelne Personen als auch für die Allgemeinheit – abzumildern, wird auch in Deutschland immer wieder die Einführung einer Zuckersteuer diskutiert. In Dänemark gab es zwischenzeitlich eine solche Steuer auf zuckerhaltige Getränke. Wie eine aktuelle Studie aus der Abteilung Staat des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) zeigt, waren die Erfahrungen mit der dänischen Steuer jedoch gemischt. Als die Steuer im Jahr 2012 stark erhöht wurde, tranken die Dän*innen im Durchschnitt zwar deutlich weniger zuckerhaltige Getränke. Allerdings reduzierten die Personen, die ihren Zuckerkonsum wenig unter Kontrolle haben, ihren Softdrink-Konsum trotz um elf Prozent höherer Preise im Vergleich zu Menschen mit hoher Selbstkontrolle kaum (nur um vier Prozent im Vergleich zu 19 Prozent). Als die dänische Regierung die Steuer im Jahr 2014 komplett abschaffte (woraufhin die Preise um 23 Prozent sanken), kauften beide Gruppen etwa ein Viertel mehr Softdrinks im Vergleich zu der Zeit, als die hohe Zuckersteuer Bestand hatte.

„Zu viel Zucker macht krank und verursacht hohe Kosten – nicht nur individuell, sondern beispielsweise über Krankenkassenkosten sowie Arbeits- und Steuerausfälle auch für die Gesellschaft insgesamt“, sagt Renke Schmacker, Studienautor und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Staat im DIW Berlin. „Eine pauschale Steuer auf zuckerhaltige Getränke wie in Dänemark wäre aber kein Allheilmittel, denn gerade diejenigen, die ihren Zuckerkonsum nicht unter Kontrolle haben und denen eine Steuer helfen könnte ihren Konsum zu reduzieren, reagieren nicht unbedingt auf eine solche Steuer. Die Studie zeigt, dass es auf die richtige Ausgestaltung der Steuer ankommt“, so Schmacker.

Vorbild in Sachen Zuckersteuer eher Vereinigtes Königreich als Dänemark

Für seine Berechnungen hat Schmacker Daten von GfK Consumertracking Scandinavia aus Dänemark genutzt. In diesem Datensatz scannen Konsument*innen die Produkte, die sie gekauft haben, und erhalten dafür Bonuspunkte. So konnten Konsument*innen über mehrere Jahre verfolgt und Änderungen in ihrem Konsumverhalten analysiert werden. Die Selbstkontrolle der untersuchten Personen wurde anhand eines psychologischen Fragebogens ermittelt, in dem die Konsument*innen beispielsweise ihre Zustimmung zu den Aussagen „Ich bin gut darin, Versuchungen zu widerstehen“ oder „Ich habe Schwierigkeiten, mit schlechten Gewohnheiten zu brechen“ angegeben haben. Die Ergebnisse zeigen, dass eine wichtige Zielgruppe der dänischen Zuckersteuer, also die Konsument*innen mit geringer Selbstkontrolle, nicht zwingend auf höhere Preise reagiert.

Um Menschen mit geringer Selbstkontrolle zu helfen, brauche es daher Instrumente, die Produzenten zuckerhaltiger Getränke dazu veranlassen, ihre Produkte gesünder zu machen, so Schmacker. Eine gestaffelte Zuckersteuer nach dem Vorbild des Vereinigten Königreichs sei dafür eine gute Lösung: Das Vereinigte Königreich hat 2018 eine stufenweise Steuer auf zuckerge­süßte Getränke eingeführt, die Getränke je nach Zuckergehalt besteuert. Dies gab den Produzenten einen Anreiz, den Zuckergehalt in ihren Getränken zu redu­zieren, damit diese unter einen niedrigeren Steuersatz fal­len. Die überwiegende Mehrheit der Produzenten hat dar­auf reagiert und den Zuckergehalt ihrer Produkte gesenkt. „Durch eine solche stufenweise Zuckersteuer entsteht ein Anreiz, der Produzent*innen dazu bewegt, den Zuckergehalt der Getränke deutlich zu reduzieren – teilweise ohne die Getränke teurer zu machen“, erklärt Schmacker.

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Studie im DIW Wochenbericht 23/2024

Pressemitteilung des DIW Berlin - Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung

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HP-Topnews DIW Berlin - Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Raumwissenschaften Forschungsergebnis
news-6168 Wed, 05 Jun 2024 12:59:00 +0200 Steigender Jagddruck https://www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/neues/forschungsnachrichten/forschungsnachrichten-single/newsdetails/jagddruck-oder-klimawandel Vor 24.000 Jahren starb der Höhlenbär aus. Welchen Anteil hatte der Mensch daran? Eine neue Studie zeichnet die konfliktreiche gemeinsame Geschichte von Bär und Mensch nach. Der Mensch zog Höhlenbären ihr Fell bereits vor 320.000 Jahren ab, mit dem Auftreten des Homo sapiens in Europa vor 45.000 Jahren intensivierte sich der Jagddruck auf das Tier, bis Ursus spelaeus schließlich vor 24.000 Jahren ausstarb. Mit 1,70 Meter Schulterhöhe und einer Länge bis zu 3,5 Metern war der Höhlenbär deutlich größer und massiger als sein Verwandter, der Braunbär, der bis heute überlebt hat.

Die konfliktreiche Beziehung zwischen Höhlenbär und Mensch wird nun erstmals über diesen langen Zeitraum in Deutschland von einem Forscherteam der Universität Tübingen, der Universität Göttingen, des Senckenberg Centres for Human Evolution and Palaeoenvironment und der Landesämter für Denkmalpflege Baden-Württemberg und Niedersachsen dokumentiert. Die Forschenden können die lang umstrittene Frage beantworten, ob der Klimawandel oder auch der Mensch Ursache für das Aussterben des Höhlenbärs war. Ihre Studie belegt durch Funde eine immer intensiver werdende Jagd auf den Höhlenbären und legt somit auch den Menschen als Ursache für das Aussterben des Höhlenbären nahe. Die Studie ist in der Fachzeitschrift Quarternary Science Reviews erschienen.

„Der Mensch machte sich den Höhlenbären auf vielfältige Weise zunutze: er aß sein Fleisch, fertigte Kleidung aus dem Fell, trat auch in eine symbolische Beziehung mit dem Tier über Schmuckstücke aus dessen Zähnen oder Bärenfiguren aus Elfenbein“, sagt Dr. Giulia Toniato, die Koordinatorin des Forscherteams. Die Forschenden untersuchten fünf Fundorte in Deutschland (Schöningen, Einhornhöhle, Hohle Fels, Geißenklösterle, Schafstall), in denen Knochen des Höhlenbären über einen Zeitraum von 300.000 bis 28.000 Jahren vor heute nachweisbar sind, und setzten sie in Beziehung zu bestehenden Studien über Funde von Bärenknochen in Frankreich, Belgien, Italien, Bulgarien und Polen. In Deutschland ist eine der ältesten Nachweise der Nutzung des Höhlenbären durch den Menschen aus der Freilandstation Schöningen in Niedersachsen bekannt: Feine, lange Schnittspuren auf Tatzenknochen, die sich deutlich von Bissspuren großer Raubtiere unterscheiden, lassen eindeutig darauf schließen, dass der Mensch Hand anlegte, um dem Bären das Fell abzuziehen.

Die Funde aus Einhornhöhle, Geißenklösterle und Hohle Fels zeigen, dass die Bärenjagd dann auch bei den Neandertalern eine gelegentliche und gefestigte Praxis war. Mit der Ausbreitung des modernen Menschen in Europa wurden die Bären intensiver genutzt, wie die größere Häufigkeit und Vielfalt modifizierter Bärenreste aus Schafstall II, Geißenklösterle und Hohle Fels belegen. Der Höhlenbär zog sich zum Überwintern in Höhlen zurück, die auch zunehmend von Menschen genutzt wurden. Dadurch konkurrierten die beiden Spezies um denselben Lebensraum. Die Begegnungen häuften sich, wie die Forschenden durch die Auswertung der Fundstätten nachweisen können, und der Mensch machte immer intensiver Jagd auf den Höhlenbären, vorzugsweise während dessen Winterruhe. Ein abgebrochenes Projektil aus Feuerstein in den Brustwirbeln eines Bären aus dem Hohle Fels, zeugt von so einem Überfall. Die Pfeilspitze steckte in einem der ersten Brustwirbel, daraus schließen die Forschenden, dass ein Blattschuss beabsichtigt war. „In dieser Lage konnten die Jäger den Bären nur in seiner Schlafposition vorgefunden haben“, sagt Dr. Susanne Münzel vom Institut für Naturwissenschaftliche Archäologie der Universität Tübingen.

Die genetische Vielfalt der Höhlenbären ging bereits vor 50.000 Jahren zurück, als noch Neandertaler durch Europa streiften. Mit dem Einzug des Homo sapiens erhöhte sich die Konkurrenz um den Lebensraum Höhle und gleichzeitig der Jagddruck. Die jüngsten Funde von Höhlenbärenknochen sind 24.000 Jahre alt und wurden in Norditalien entdeckt. Danach verliert sich seine Spur.

„Höhlenbären haben also die Zeit der Maximalvereisung vor 20.000 Jahren nicht überlebt, Braunbären dagegen schon. Der Grund ist die unterschiedliche Ernährung der beiden Bärenarten, denn Höhlenbären haben sich ausschließlich vegetarisch ernährt. Die vegetationsarme Winterzeit mussten sie durch ihre Winterruhe überbrücken, in der auch die Jungbären geboren wurden. Braunbären hingegen waren Fleischfresser, solange sie Zeitgenossen der Höhlenbären waren. Nach der Maximalvereisung und dem Aussterben der Höhlenbären erweiterten sie ihr Spektrum auf hauptsächlich pflanzliche Nahrung. Das bedeutet, dass sich Braunbären besser an die veränderten Umweltbedingungen angepasst haben“, so Münzel.

Publikation

Giulia Toniato, Gabriele Russo, Ivo Verheijen, Jordi Serangeli, Nicholas J. Conard, Dirk Leder, Thomas Terberger, Britt M. Starkovich, Susanne Münzel: “A diachronic study of human-bear interactions: An overview of ursid exploitation during the Paleolithic of Germany”, Quaternary Science Reviews, 11. May 2024; https://doi.org/10.1016/j.quascirev.2024.108601

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Pressemitteilung der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung (SGN)

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News Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung Lebenswissenschaften Forschungsergebnis
news-6173 Wed, 05 Jun 2024 12:48:00 +0200 Was stoppt die Blaualgenblüte? https://www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/neues/forschungsnachrichten/forschungsnachrichten-single/newsdetails/es-gruent-der-see Wie es zu Blaualgenblüten kommt, ist ein gut untersuchtes Phänomen. Doch was kann sie zum Abklingen bringen? Forschende haben Faktoren zusammengetragen. Wenn blaugrüne Teppiche Flüsse und Seen überziehen, ist es mit dem Badevergnügen oft vorbei. Doch was tun gegen solche Massenentwicklungen von Cyanobakterien, umgangssprachlich auch Blaualgenblüten genannt? Bisher hat sich die Wissenschaft vor allem mit der Frage beschäftigt, unter welchen Bedingungen es zu diesem Phänomen kommen kann. Jetzt hat ein Forschungsteam des GLEON-Netzwerks (Global Lake Ecosystem Observatory Network), an dem das IGB beteiligt ist, in einer Übersichtsstudie zusammengetragen, welche Faktoren Algenblüten zum Abklingen bringen können. Diese Faktoren für eine technische Bekämpfung zu nutzen, ist jedoch aufwändig und der Erfolg ungewiss. Vorbeugung ist daher die beste Methode.

Massenentwicklungen von Cyanobakterien sehen nicht nur unschön aus, sie beeinträchtigen auch die Wasserqualität und damit die Nutzung der betroffenen Gewässer als Trinkwasserquelle oder für Freizeitaktivitäten. Zudem können sie andere Lebewesen im Gewässer gefährden, indem sie an der Oberfläche Licht absorbieren und beim Absinken Sauerstoff für Abbauprozesse in der Tiefe verbrauchen. Einige Arten bilden sogar Giftstoffe. 

So entstehen Blaualgenblüten: hohe Temperaturen, viel Licht, reichlich Nährstoffe

Das Management von Blaualgenblüten ist schwierig, denn es gibt mehrere tausend Arten von Cyanobakterien, die sich in Aussehen, Eigenschaften und Ansprüchen stark unterscheiden können. „Zu wissen, welche Umweltfaktoren und Wechselwirkungen die jeweilige Blaualgenblüte im natürlichen Ökosystem reduzieren, ist entscheidend, um Algenblüten in Zukunft gezielter eindämmen zu können“, sagt Dr. Stella Berger.

In der Regel entstehen Cyanobakterienblüten, wenn die Temperaturen und der Lichteinfall hoch sind und viele Nährstoffe (Phosphor und Stickstoff) das Wasser belasten. Diese Faktoren spielen natürlich auch beim Abklingen der Algenblüten eine Rolle. Es gibt aber noch viele andere physikalische, chemische und biologische Faktoren.

Und so können sie wieder abklingen

1. Durchmischung und Starkregen können Algenblüten beenden:
Beispielsweise kann eine Durchmischung des Wassers eine Algenblüte beenden. Wie gut das funktioniert, hängt davon ab, ob es sich um eine Cyanobakterienart handelt, die sich hauptsächlich an der Wasseroberfläche ansammelt. Im Vergleich zu Arten, die in der Wassersäule verteilt sind, können auftreibende Arten leicht durch den Wind über weite Strecken zerstreut werden – Massenansammlungen lösen sich auf.
Regen kann Cyanobakterienblüten fördern, indem er mehr Nährstoffe ins Wasser spült, oder sie bremsen, indem er das Wasser stärker durchmischt. Einige freilebende Cyanobakterien reagieren empfindlich auf sturmbedingte Turbulenzen, während andere daran angepasst sind. Wenn die Gasvesikel einiger auftreibender Cyanobakterien durch den hydrostatischen Druck von Starkregen kollabieren, wird auch die Algenblüte unterbrochen.

2. Chemische Stoffe anderer Organismen als Waffe gegen Cyanobakterien:
Selbst die kleinsten Organismen im Wasser haben die Fähigkeit, durch die Abgabe von chemischen Substanzen die Dominanz anderer Lebewesen einzuschränken. Allelochemikalien, die eine Cyanobakterienblüte beeinflussen, werden von verschiedenen Organismen wie Wasserpflanzen, heterotrophen Bakterien, Pilzen, anderem Phytoplankton und Landpflanzen produziert. Einige aquatische Pilzarten bilden beispielsweise Sauerstoffradikale, die die Zellmembran schädigen und die Zellen verschiedener blütenbildender Cyanobakterienarten zerstören können.

3. Wenn die Cyanobakterien „krank“ werden:
Parasiten, Viren und Bakterien können Cyanobakterien auch direkt befallen und ihre Vermehrung einschränken. Ein Beispiel sind Cyanobakterien-Phagen, virusähnliche Partikel. Sie befallen vermutlich ein breites Spektrum von Wirtsarten und können Algenblüten innerhalb weniger Tage stoppen. Ein Co-Kultivierungsexperiment mit natürlichen Viruspopulationen und der Cyanobakterienart Microcystis zeigte einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Phagendichte und dem Absterben der Cyanobakterien, was zu einer 95-prozentigen Verminderung der Microcystis-Population innerhalb von sechs Tagen führte.
„Vielfältige Lebensgemeinschaften in Gewässern tragen also wesentlich zum Gleichgewicht der Organismengruppen bei und sind auf jeden Fall hilfreich, um Algenblüten in Schach zu halten“, sagt IGB-Forscher Dr. Danny Ionescu.

4. Schicksal: Gefressen werden:
Obwohl einige Cyanobakterienarten nicht sehr nahrhaft sind und Gifte produzieren können, werden sie dennoch von größeren Lebewesen gefressen. Vor allem das Zooplankton grast die Algenteppiche regelrecht ab. Wasserflöhe zum Beispiel können sich im selben Ökosystem an die Giftstoffe der Cyanobakterien gewöhnen und sie als Nahrungsquelle nutzen.
Auch Muscheln können als Filtrierer Algenblüten eindämmen – darunter die in Europa und Nordamerika invasiven Dreikantmuscheln wie die Quaggamuschel. Mehrere Studien haben gezeigt, dass die Häufigkeit von Cyanobakterien nach der Invasion von Dreikantmuscheln um bis zu 58 Prozent zurückgehen kann. Auch einige Fischarten sind Fraßfeinde der Cyanobakterien.

5. Konkurrenz um Licht und Nahrung:
Mixotrophe Algen, also Algenarten, die sowohl Photosynthese zur Energiegewinnung betreiben als auch Zellen fressen, um Kohlenstoffverbindungen für ihr Wachstum zu gewinnen, können ebenfalls zum Absterben von Cyanobakterienblüten beitragen. Sie konkurrieren mit den Cyanobakterien um abiotische Ressourcen wie Licht und Nährstoffe, beeinflussen aber auch die Cyanobakteriendichte vor allem kleinerer Arten durch Fraß.

Management von Blaualgenblüten: Aufwändig bei ungewissem Erfolg:

Viele der oben genannten Mechanismen können im Prinzip im Gewässermanagement genutzt werden, um Algenblüten zu reduzieren. Alle Maßnahmen sind jedoch aufwändig und die Erfolgsaussichten ungewiss.

Einige Studien haben gezeigt, dass die künstliche Durchmischung in tieferen Seen eine wirksame Strategie sein kann. In flachen, nicht geschichteten Gewässern kann sie jedoch kontraproduktiv wirken, da dabei Phosphor aus den Sedimenten freigesetzt wird, der das Wachstum von Cyanobakterien fördert. Eine weitere physikalische Methode ist die Spülung, die die Verweildauer des Wassers im See verkürzt und in einigen Seen erfolgreich war. In Zeiten von Wasserknappheit ist sie jedoch nicht überall geeignet.
Es gibt auch chemische Methoden, wie das Einbringen von Kupfersulfat und Wasserstoffperoxid. „Diese sollten jedoch wegen unerwünschter oder unerwarteter negativer Auswirkungen auf andere Lebewesen im Gewässer vermieden werden“, sagt IGB-Forscher Professor Hans-Peter Grossart. Auch die biologische Kontrolle durch Fressfeinde sei eine Methode mit oft ungewissem Ausgang. „Schließlich lässt sich nicht kontrollieren, welche Arten von Phytoplankton Wasserflöhe oder Muscheln fressen oder filtrieren.“

Kein Standardverfahren: Vorbeugen ist besser als Behandeln:

Welche Methode die richtige ist, hängt vom Gewässer, der Art der Cyanobakterien und den jeweiligen Umweltbedingungen ab. Eine Studie aus dem vergangenen Jahr verglich die Effizienz, die Dauer und die Kosten verschiedener Ansätze zur Bekämpfung von Blaualgenblüten: Die gleiche Methode kann einen Effizienzunterschied von 30 Prozent aufweisen, aber verschiedene Ansätze zur Reduzierung der Blüten können einzeln oder in Kombination bis zu 100 Prozent der Biomasse der Algenblüte beseitigen.
„Schließlich ist es bei der Erwägung und Umsetzung jeglicher Art von Bekämpfungsmaßnahmen entscheidend, ökologisches Hintergrundwissen in die technische Planung einzubeziehen. Misserfolge sind häufig darauf zurückzuführen, dass die Komplexität des Themas unterschätzt wird, die Eigenschaften der verursachenden Cyanobakterien oder des Gewässertyps nicht berücksichtigt werden,“ sagt IGB-Forscherin Dr. Mina Bizic. Wie so oft ist Prävention das Mittel der Wahl – also Nährstoffeinträge reduzieren, natürliche Prozesse unterstützen und Biodiversität fördern.

Mehr oder weniger Algenblüten im Zuge des Klimawandels?

Der Klimawandel begünstigt das Wachstum von Cyanobakterien durch höhere Temperaturen, eine stabilere und länger anhaltende thermische Schichtung von Seen, Nährstoffbelastungen und Veränderungen in der Dynamik des Nahrungsnetzes. Studien haben jedoch widersprüchliche Ergebnisse gezeigt: Einige stellten eine Zunahme von Cyanobakterien fest, andere nicht. Denn nicht nur Wachstums-, sondern auch Verlustprozesse können angeregt werden: So führen höhere Temperaturen mitunter auch zu höheren Infektionsraten, die die Ausbreitung der Cyanobakterien kompensieren.
„Tatsächlich müssen wir nicht nur die Wachstums-, sondern auch die Verlustprozesse stärker berücksichtigen, um den Nettoeffekt des Klimawandels auf die Entwicklung von Algenblüten zu verstehen“, fasst IGB-Forscherin Dr. Stella Berger zusammen. Eine geeignete Methode, um die Entstehung und das Absterben von Blaualgenblüten zu überwachen, ist übrigens die Fernerkundung. „Kameras auf Satelliten oder Drohnen helfen, den Chlorophyll-a-Gehalt von Gewässern abzuschätzen und so die räumliche und zeitliche Verteilung der Algenbiomasse zu bestimmen“, betont IGB-Forscher Dr. Igor Ogashawara.

Originalpublikation

Ted D. Harris, et al: What makes a cyanobacterial bloom disappear? A review of the abiotic and biotic cyanobacterial bloom loss factors. Harmful Algae, Volume 133, 2024, 102599, ISSN 1568-9883, https://doi.org/10.1016/j.hal.2024.102599.

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Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB)

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News Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei Umweltwissenschaften Forschungsergebnis
news-6165 Tue, 04 Jun 2024 19:21:00 +0200 Wie das Coronavirus dem Immunsystem entkommt https://www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/neues/forschungsnachrichten/forschungsnachrichten-single/newsdetails/dem-immunsystem-entgehen Mit SARS-CoV-2 infizierte Zellen regulieren wichtige Immunsignale herunter und entkommen so der Immunabwehr – Erkenntnisse, die Ansätze für neue Therapien liefern könnten. Eine neue Studie hat wichtige Erkenntnisse darüber geliefert, wie SARS-CoV-2 und seine Varianten dem Immunsystem entkommen. Die Erkenntnisse ebnen den Weg für neue Therapieansätze gegen COVID-19. Die Forschung des internationalen Teams von Wissenschaftler:innen aus den USA, Brasilien und Deutschland konzentrierte sich auf die Wechselwirkungen zwischen dem Virus und dem angeborenen Immunsystem des Menschen. Geleitet wurde die Studie durch ein Team des Ragon Institute of Mass General, MIT and Harvard, Cambridge, USA. Die Ergebnisse wurden am 09.05.2024 im renommierten Journal "Cell" veröffentlicht.

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Zellen, die mit SARS-CoV-2 infiziert sind, wichtige Immunsignale, bekannt als NKG2D-Liganden, herunterregulieren. Diese Liganden spielen eine entscheidende Rolle bei der Aktivierung des Immunsystems, insbesondere von natürlichen Killerzellen (NK-Zellen), die als Zellen des angeborenen Immunsystems für die Bekämpfung von Virusinfektionen von zentraler Bedeutung sind.

Darüber hinaus identifizierten die Forschenden den Mechanismus, durch den das Virus die Herunterregulierung dieser Immunsignale erreicht. Es wurde festgestellt, dass ein virales Protein namens ORF6 maßgeblich an diesem Prozess beteiligt ist. 76C, ein Antikörper, der bereits in präklinischen Studien in der Krebsforschung getestet wird, verhindert diese Herunterregulation und macht die infizierten Zellen für natürliche Killerzellen besser angreifbar. Diese Entdeckung könnte neue Ansätze für die Entwicklung von Therapien gegen COVID-19 eröffnen.

Die Studie zeigte auch, dass NK-Zellen eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung von SARS-CoV-2-infizierten Zellen spielen. Trotz der Bemühungen des Virus, das Immunsystem zu unterdrücken, sind NK-Zellen in der Lage, infizierte Zellen zu erkennen und zu zerstören. Dies legt nahe, dass die Aktivierung des angeborenen Immunsystems eine vielversprechende Strategie zur Behandlung von COVID-19 sein könnte.
„Unsere Ergebnisse sind äußerst aufschlussreich für das Verständnis der Immunabwehr gegen SARS-CoV-2 und wie wir diese potentiell mit neuen Therapien verstärken können“, so Dr. Dr. Angelique Hölzemer, Leiterin der Arbeitsgruppe Infektion & Immunregulation am Leibniz-Institut für Virologie und Fachärztin in der Sektion Infektiologie der I. Medizinischen
Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). „Indem wir besser verstehen, wie das Virus dem Immunsystem versucht zu entkommen, können wir zusätzliche Ansätze zur Behandlung von COVID-19 entwickeln.“

Originalpublikation

Hartmann JA, Cardoso MR, Ramiro Talarico MC, Kenney DJ, Leone MR, Reese DC, Turcinovic J, O’Connell AK, Gertje HP, Marino C, Ojeda PE, De Paula EV, Orsi FA, Velloso LA, Cafiero TR, Connor JH, Ploss A, Hoelzemer A, Carrington M, Barczak AK, Crossland NA, Douam F, Boucau J, Garcia-Beltran WF (2024) Evasion of NKG2D-mediated cytotoxic immunity by sarbecoviruses.
Doi: https://doi.org/10.1016/j.cell.2024.03.026

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Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Virologie (LIV)

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News Leibniz-Institut für Virologie Lebenswissenschaften Forschungsergebnis
news-6187 Mon, 03 Jun 2024 09:08:00 +0200 Führungswechsel am LIV https://www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/neues/forschungsnachrichten/forschungsnachrichten-single/newsdetails/fuehrungswechsel-am-liv Marcus Altfeld ist neuer wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für Virologie in Hamburg. Der Immunologe übernimmt das Amt von Thomas Dobner. Professor Marcus Altfeld hat am 1. Juni 2024 die Leitung am Leibniz-Institut für Virologie (LIV), Deutschlands führendem Institut für die Erforschung humanpathogener Viren übernommen. Nach über 14 Jahren im Amt zieht sich der ehemalige Wissenschaftliche Direktor Professor Thomas Dobner aus dem Vorstand zurück. Er bleibt dem LIV noch bis zu seinem Ruhestand im Jahr 2025 als Leiter der Abteilung Virale Transformation erhalten.

Katharina Fegebank, Wissenschaftssenatorin sowie zweite Bürgermeisterin der Freien und Hansestadt Hamburg: „Während der Amtszeit von Professor Thomas Dobner hat sich das Leibniz-Institut für Virologie als weltweit anerkanntes Zentrum exzellenter Virusforschung zukunftsfest aufgestellt. Er hinterlässt ein hochrenommiertes Institut mit internationaler Ausrichtung, das den Wissenschaftsstandort Hamburg entscheidend prägt. Die hervorragende Zusammenarbeit mit ihm zeichnete sich stets durch gegenseitiges Vertrauen aus und ich danke ihm sehr herzlich für seinen großen Einsatz als Wissenschaftlicher Direktor. Mit Herrn Professor Marcus Altfeld hat das LIV einen weltweit renommierten Spitzenforscher mit langjährigen Erfahrungen gewinnen können. Er bringt die besten Voraussetzungen mit, die exzellente Forschung am LIV weiter zu stärken und neue Akzente zu setzen. Ich wünsche ihm viel Freude und gutes Gelingen in seiner neuen Position.“

Altfeld, neuer Wissenschaftlicher Direktor und Leiter der Abteilung Virus Immunologie am LIV, erforscht seit vielen Jahren, wie das Immunsystem des Menschen virale Infektionen kontrolliert. Insbesondere untersucht er die Mechanismen, die es dem Immunsystem erlauben, Viren zu erkennen und virusinfizierte Zellen zu eliminieren. Aus seiner vorangegangenen Tätigkeit am Ragon Institute of Mass General, MIT, and Harvard sowie am Institut für Immunologie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) bringt Altfeld eine langjährige Leitungserfahrung mit.

Professor Marcus Altfeld: „Die Erfahrungen der letzten Jahre haben klar gezeigt, wie entscheidend Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung sind, um neue Therapieansätze und Impfungen zu entwickeln. Am LIV untersuchen international ausgewiesene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler humane Virusinfektionen, beginnend von den kleinsten Strukturen über Interaktionen mit dem Wirt bis hin zu neuen Therapieansätzen. Als neuer Wissenschaftlicher Direktor des LIV freue ich mich sehr auf die sich hieraus ergebenden Synergien, um die Pathogenese von Viruserkrankungen zu entschlüsseln für neue Medikamente, Impfstoffe und auch für die personalisierte Medizin.“

Professor Thomas Dobner, ehemaliger Wissenschaftlicher Direktor und Leiter der Abteilung Virale Transformation am LIV: „Ich freue mich, dass sich das LIV während meiner Amtszeit zu einem der weltweit führenden Institute in der Virusforschung entwickelt hat. Mit seinem einzigartigen Forschungsprofil komplementiert das LIV die internationale Forschungsgemeinschaft und leistet seit vielen Jahren wichtige Beiträge zur Bekämpfung der weltweit wichtigsten Viruserkrankungen. Ich bedanke mich bei meinem Team, bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie meinen Kolleginnen und Kollegen innerhalb und außerhalb des LIV für die großartige Zusammenarbeit.“ Nach über 14 Jahren als  Wissenschaftlicher Direktor des LIV, sei es an der Zeit, einen Generationenwechsel im Vorstand einzuleiten. Seinem Kollegen Altfeld wünscht er viel Erfolg und Freude im neuen Amt.

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News Leibniz-Institut für Virologie Lebenswissenschaften Menschen
news-6182 Fri, 31 May 2024 19:55:00 +0200 Stellare Magnetfelder entdeckt https://www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/neues/forschungsnachrichten/forschungsnachrichten-single/newsdetails/kosmische-magnetfelder-in-der-nachbarschaft Forschende haben erstmals Magnetfelder in massereichen Sternen außerhalb unserer Galaxie nachgewiesen. Sie könnten Aufschluss über die Enstehung von Sternen geben. Erstmalig wurden Magnetfelder in drei massereichen, heißen Sternen in unseren Nachbargalaxien, den Großen und Kleinen Magellanschen Wolken, nachgewiesen. Während magnetische massereiche Sterne bereits in unserer eigenen Galaxie entdeckt wurden, ist die Entdeckung des Magnetismus in den Magellanschen Wolken von besonderer Bedeutung, da es in diesen Galaxien eine starke Population von jungen massereichen Sternen gibt. Dies bietet eine einmalige Gelegenheit, die aktive Sternentstehung und die maximale Masse zu untersuchen, die ein stabiler Stern haben kann.

Der Magnetismus gilt als Schlüsselkomponente bei der Entwicklung massereicher Sterne und hat weitreichende Auswirkungen auf deren endgültiges Verhalten. Es sind die massereichen Sterne mit anfänglich mehr als acht Sonnenmassen, die am Ende ihrer Entwicklung Neutronensterne und Schwarze Löcher zurücklassen. Spektakuläre Verschmelzungen solcher kompakten Überbleibsel wurden von Gravitationswellen-Observatorien bereits beobachtet. Darüber hinaus schlagen einige Theorien einen magnetischen Mechanismus für die Explosion massereicher Sterne vor, der für Gammastrahlenausbrüche, Röntgenblitze und Supernovae relevant ist. „Untersuchungen von Magnetfeldern in massereichen Sternen in Galaxien mit jungen Sternpopulationen liefern entscheidende Informationen über die Rolle von Magnetfeldern bei der Sternentstehung im frühen Universum mit nicht durch Metalle verunreinigtem Sternentstehungsgas“, sagt Dr. Swetlana Hubrig vom Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) und Erstautorin der Studie.

Stellare Magnetfelder werden mittels Spektropolarimetrie gemessen. Dazu wird das zirkular polarisierte Sternenlicht aufgezeichnet und die kleinsten Änderungen in den Spektrallinien werden untersucht. Um die notwendige Genauigkeit der Polarisationsmessungen zu erreichen, benötigt diese Methode jedoch Daten von hoher Qualität. „Die Methode ist extrem hungrig nach Photonen. Das ist eine besondere Herausforderung, denn selbst die hellsten massereichen Sterne, die mehr als acht Sonnenmassen haben, sind bei der Beobachtung in unseren Nachbargalaxien, der Großen und der Kleinen Magellanschen Wolke, relativ lichtschwach", erklärt Dr. Silva Järvinen vom AIP. Aufgrund dieser Bedingungen sind herkömmliche hochauflösende Spektropolarimeter und kleinere Teleskope für solche Untersuchungen ungeeignet. Deshalb wurde das niedrig auflösende Spektropolarimeter FORS2 verwendet, das auf einem der vier 8-Meter-Teleskope des Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) montiert ist.

Frühere Versuche, Magnetfelder in massereichen Sternen außerhalb unserer Galaxie nachzuweisen, blieben bisher ohne Erfolg. Diese Messungen sind komplex und hängen von mehreren Faktoren ab. Das Magnetfeld, das mit zirkularer Polarisation gemessen wird, wird als longitudinales Magnetfeld bezeichnet und entspricht ausschließlich der Feldkomponente, die in Richtung des Beobachters zeigt. Es ist vergleichbar mit dem Licht eines Leuchtturms, das leicht zu sehen ist, wenn der Strahl in Richtung des Beobachters strahlt. Da die Magnetfeldstruktur in massereichen Sternen in der Regel durch einen globalen Dipol mit einer zur Rotationsachse geneigten Achse gekennzeichnet ist, kann die Stärke des longitudinalen Magnetfelds in Rotationsphasen gleich Null sein, wenn der Beobachter direkt auf den magnetischen Äquator des rotierenden Sterns blickt. Die Nachweisbarkeit des Polarisationssignals hängt auch von der Anzahl der Spektralmerkmale ab, die zur Untersuchung der Polarisation verwendet werden. Die Beobachtung eines breiteren Spektralbereichs mit einer größeren Anzahl von spektralen Merkmalen ist vorzuziehen. Darüber hinaus sind längere Belichtungszeiten entscheidend für die Aufnahme polarimetrischer Spektren mit einem ausreichend hohen Signal-Rausch-Verhältnis.

Unter Berücksichtigung dieser wichtigen Faktoren führte das AIP-Team spektropolarimetrische Beobachtungen von fünf massereichen Sternen in den Magellanschen Wolken durch. Beobachtet wurden zwei vermutlich einzelne Sterne, die typische spektrale Eigenschaften für magnetische massereiche Sterne aufweisen, wie sie in unserer eigenen Galaxie üblich sind, sowie ein massereiches Doppelsternsystem, das aktiv miteinander in Wechselwirkung steht (Cl*NGC346 SSN7). Dieses Doppelsternsystem befindet sich im Kern der massereichsten Sternentstehungsregion NGC346 in der Kleinen Magellanschen Wolke. Dabei gelang es, Magnetfelder in der Größenordnung von Kilogauss nachzuweisen. Auf der Oberfläche unserer Sonne können solch starke Magnetfelder nur in kleinen, stark magnetisierten Regionen - den Sonnenflecken - nachgewiesen werden. Die berichteten Magnetfeldnachweise in den Magellanschen Wolken sind der erste Hinweis darauf, dass die Bildung massereicher Sterne in Galaxien mit jungen Sternpopulationen ähnlich abläuft wie in unserer Galaxie.

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Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam (AIP)

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News Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam Mathematik, Natur- und Ingenieurwissenschaften Forschungsergebnis
news-6176 Fri, 31 May 2024 17:39:00 +0200 Für ein optimales Mundgefühl https://www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/neues/forschungsnachrichten/forschungsnachrichten-single/newsdetails/mit-mundgefuehl-ueberzeugen Brötchen sollen knusprig sein, Joghurt cremig: Beim Genuss eines Lebensmittels zählt auch seine Haptik. Mittels Rasterkraftmikroskopie wollen Forschende das Mundgefühl ergründen. Ein Team um Melanie Köhler und Veronika Somoza vom Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie hat einen neuen Forschungsansatz in der Fachzeitschrift Nature Food vorgestellt. Im Fokus des Perspectives-Artikels stehen verschiedene Möglichkeiten, mittels Rasterkraftmikroskopie das Mundgefühl von Lebensmitteln zu erforschen, um die biophysikalischen Mechanismen besser zu verstehen, die zu Geschmackseindrücken beitragen. Neue Erkenntnisse in diesem Bereich könnten die Entwicklung gesundheitsfördernder Produkte vorantreiben, die weniger Salz, Fett, Zucker und Kalorien enthalten, aber trotzdem sensorisch vom Mundgefühl her überzeugen.

Das Mundgefühl eines Lebensmittels spielt eine entscheidende Rolle für dessen Akzeptanz. So bevorzugen viele Menschen bei Quark und Joghurt eine cremige Konsistenz. Äpfel sollten dagegen beim Hineinbeißen saftig und knackig sein und Brotkrusten knusprig. Diese Vielfalt zeigt, dass das optimale Mundgefühl stark von der Lebensmittelart abhängt und nicht einheitlich definiert ist.

Komplexes Zusammenspiel erforschen

Zudem ist das Zusammenspiel von Inhaltsstoffen, Textur und Temperatur eines Lebensmittels mit den verschiedenen Sensormolekülen und Zelltypen im Mund äußerst komplex. Nachwuchsgruppenleiterin Melanie Köhler sagt: „Insbesondere Mechanorezeptoren, die auf Druck oder Dehnung reagieren, sind im Hinblick auf das optimale Mundgefühl und ihren Beitrag zum sensorischen Gesamteindruck eines Lebensmittels noch wenig erforscht.“

Veronika Somoza, Direktorin des Freisinger Leibniz-Instituts ergänzt: “In unserem aktuellen Perspectives-Artikel stellen wir verschiedene experimentelle Ansätze vor, mit denen interdisziplinär die vielen noch offenen Fragen rund um das Thema Mundgefühl aus biophysikalischer Sicht angegangen werden können. Wir haben dabei den Fokus auf die biologische Rasterkraftmikroskopie gelegt.“

Das Rasterkraftmikroskop ist ein Werkzeug, das Oberflächen auf atomarer Ebene abtastet und sie so visualisiert. Auf diese Weise lassen sich auch Wechselwirkungen zwischen Molekülen wie Lebensmittelinhaltsstoffen und Rezeptorproteinen untersuchen. Es kann aber auch dazu dienen, mechanischen Druck auf Zellen auszuüben und auf diese Weise Mechanorezeptoren zu aktivieren und deren zelluläre Signalantwort zu identifizieren und zu charakterisieren.

Traditionelle Definition überdenken

Ein grundlegendes biophysikalisches und funktionelles Verständnis der vielfältigen mechanosensorischen Hauptakteure im oralen und extraoralen Gewebe und ihrer Reaktionen auf Lebensmittelinhaltsstoffe ist laut Melanie Köhler wichtig. Es ermögliche, neue Hypothesen über den Beitrag von Mechanosensoren zum sensorischen Gesamteindruck eines Lebensmittels aufzustellen und viele der heute im molekularen Bereich noch offenen Fragen zu beantworten.

„Hinsichtlich der Lebensmittelforschung erwarten wir, dass zukünftige Ergebnisse zu einer Revision unserer traditionellen Definition von flavor, also dem sensorischen Gesamteindruck eines Lebensmittels, führen werden, indem wir die mechanische Wahrnehmung als weiteren Faktor neben Geschmack und Geruch einbeziehen“, erklärt die junge Wissenschaftlerin. „In Bezug auf die Lebensmittelproduktion eröffnet unser wegweisender Forschungsansatz vielversprechende Perspektiven für die Gestaltung zukünftiger, genussvoller und zugleich gesundheitsbewusster Ernährungsoptionen“, so Melanie Köhler weiter.

Publikation

Koehler, M., Benthin, J., Karanth, S., Wiesenfarth, M., Sebald, K., and Somoza, V. (2024). Biophysical investigations using atomic force microscopy can elucidate the link between mouthfeel and flavour perception. Nat Food 5, 281-287. 10.1038/s43016-024-00958-3. www.nature.com/articles/s43016-024-00958-3

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Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München (LSB)

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News Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München Lebenswissenschaften Forschungsergebnis
news-6181 Thu, 30 May 2024 11:21:45 +0200 Podcast „Tonspur Wissen“: Grundgesetz & Demokratie https://www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/neues/forschungsnachrichten/forschungsnachrichten-single/newsdetails/podcast-tonspur-wissen-demokratie Wie hat sich unsere Demokratie entwickelt – und müssen wir um sie bangen? Dreiteilige Serie des Leibniz-Podcasts. In drei Folgen widmet sich "Tonspur Wissen" den Themen Grundgesetz und Demokratie.
(1): Ein Grund zum Feiern? Das Grundgesetz hat Geburtstag

Im Mai ist das Grundgesetz 75 Jahre alt geworden. Es bildet die Basis unseres Zusammenlebens in einem freien und demokratischen Rechtsstaat. Wird es zurecht gefeiert? Ursula Weidenfelds Gesprächspartner ist Andreas Wirsching, Direktor des Instituts für Zeitgeschichte.

(2): Wie hat sich unsere Außenpolitik entwickelt?

Wie geht man mit Diktatoren, Herrschern und Potentaten um? Der zweite Teil der Miniserie nimmt die deutsche Außenpolitik nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in den Blick. Ursula Weidenfeld befragt Frank Bösch, den Direktor des Leibniz-Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam.

(3) Ist unsere Demokratie in Gefahr?

Daniel Ziblatt ist Mitautor des kürzlich erschienenen Buchs „Die Tyrannei der Minderheit. Warum die amerikanische Demokratie am Abgrund steht und was wir daraus lernen können.“ Was empfiehlt der Direktor der Abteilung „Transformationen der Demokratie“ am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung den Europäern kurz vor der Wahl?

Podcast „Tonspur Wissen“

Der Podcast „Tonspur Wissen“ der Leibniz-Gemeinschaft wird gemeinsam mit der Rheinischen Post präsentiert. Das Format soll Wissenschaft anschaulich und verständlicher machen. Ziel ist es, aktuelle Themen mit Forschungsergebnissen zu verbinden. Moderiert wird der Podcast von Ursula Weidenfeld. Die Wirtschaftswissenschaftlerin und ehemalige Chefredakteurin der Zeitschrift „Impulse“ möchte mit ihren Fragen eine Brücke zwischen Alltagswelt und Spitzenforschung bauen. „Wir haben es verdient, Wissenschaft gut erklärt zu bekommen“, sagt sie. „Und die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verdienen es, dass wir uns für ihre Arbeit interessieren.“

Zum Podcast "Tonspur Wissen"

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HP-Topnews Institut für Zeitgeschichte München - Berlin Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam Geisteswissenschaften und Bildungsforschung Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Raumwissenschaften Gemeinschaft
news-6169 Tue, 28 May 2024 13:21:00 +0200 EarthCARE bereit zum Start https://www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/neues/forschungsnachrichten/forschungsnachrichten-single/newsdetails/earthcare-satellit-fliegt-ins-weltall Präzise wie nie zuvor soll der Satellit Wolken, Aerosole und Strahlung in der Atmosphäre messen. Ermöglicht wird das auch durch hochmoderne Prozessoren. Die Vorbereitungen zum Start des neuen Erdbeobachtungsatelliten EarthCARE (Earth Cloud Aerosol and Radiation Explorer) Ende Mai laufen auf Hochtouren. Die gemeinsame Mission der Europäischen Weltraumbehörde (ESA) und der japanischen Raumfahrtagentur (JAXA) soll Wolken, Aerosole und Strahlung so genau messen wie nie zuvor. Möglich wird das durch die Verknüpfung von vier hochmodernen Instrumenten. Einen wichtigen Beitrag dazu leisten drei sogenannte Prozessoren, die das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) zusammen mit Partnern entwickelt hat. Diese Algorithmen sind jetzt in einer Sonderausgabe des Fachjournals „Atmospheric Measurement Techniques“ ausführlich beschrieben worden.

Die neue Software ermöglicht es, Wolkeneigenschaften aus dem passiven Spektrometer (MSI), die Aerosol- und Wolkenschichtung aus dem aktiven, spektral hochauflösenden Lidar (ATLID) sowie synergetische Wolken- und Aerosolprodukte aus beiden Geräten abzuleiten. Damit diese Berechnungen über die verschiedenen Geräte hinweg funktionieren, wurde ein Aerosolklassifizierungsmodell (HETEAC) als Grundlage für die Aerosoltypisierung entwickelt.

EarthCARE wird erstmals ein spektral hochauflösendes Lidar und ein Doppler-Wolkenradar mit passiven Sensoren kombinieren und stellt damit die komplexeste Satellitenmission zur Erforschung von Aerosolen, Wolken und deren Strahlungswirkung dar, die jemals ins All gestartet wurde. Die Entwicklung von EarthCARE hat mehr als 15 Jahre gedauert und rund 800 Millionen Euro gekostet. Für die Wissenschaft bietet der Satellit große Möglichkeiten: Hochmoderne Technologie an Bord liefert eine Vielzahl von Daten, die die Genauigkeit von Klimamodellen verbessern und die numerische Wettervorhersage unterstützen sollen.

Der 17,2 Meter lange, 2,5 Meter breite, 3,5 Meter hohe und rund 2.200 Kilogramm schwere EarthCARE-Satellit wurde beim deutschen Hauptauftragnehmer Airbus in Friedrichshafen montiert, zusammen mit der ESA ausgiebig getestet und anschließend per Flugzeug nach Vandenberg (Kalifornien, USA) transportiert, wo er Ende Mai mit einer Falcon-9-Rakete des US-Raumfahrtkonzerns SpaceX in seinen Zielorbit in 393 Kilometer Höhe gebracht werden soll.

Der Earth Cloud Aerosol and Radiation Explorer (EarthCARE) ist mit vier Instrumenten ausgestattet: einem Doppler-Wolkenradar, einem Lidar mit hoher spektraler Auflösung, einem abbildenden Spektrometer und einem Breitbandradiometer mit drei verschiedenen Blickrichtungen. Die Instrumente werden synergetische Beobachtungen von Aerosolen, Wolken, Strahlung und deren Wechselwirkungen mit noch nie dagewesener Genauigkeit liefern. Eines der Ziele der Mission ist es, die gemessenen und berechneten Strahlungsflüsse am Oberrand der Atmosphäre für eine 100 Quadratkilometer große Momentaufnahme mit einer Genauigkeit von 10 Watt pro Quadratmeter in Übereinstimmung zu bringen, was das Wissen über den globalen Strahlungsantrieb erheblich verbessern würde.

Die EarthCARE-Daten werden mit Hilfe einer ausgeklügelten Datenkette fast in Echtzeit (Near Real Time) berechnet. Das Lidar liefert vertikale Profile und damit einen Querschnitt der Atmosphäre entlang der Flugstrecke des Satelliten. Daraus leiten die am TROPOS entwickelten Algorithmen die Wolkenoberkante und die Höhe von Aerosolschichten, die z.B. aus Saharastaub oder Rauch großer Waldbrände bestehen können, ab. Diese Algorithmen werden in der Fachsprache auch Prozessoren genannt und sind das Software-Herz der Datenauswertung. Ergänzend zum Lidar ermöglicht das abbildende Spektrometer die Charakterisierung der Atmosphäre durch ein horizontales, 150 km breites Abbild von Wolken- und Aerosoleigenschaften. Die mikro- und makrophysikalischen Wolkeneigenschaften wie z.B. die optische Dicke der Wolken, der Tropfenradius und die Wolkenhöhe werden mit einem weiteren am TROPOS entwickelten Prozessor bestimmt.  Der dritte am TROPOS entwickelte Prozessor kombiniert die höhenaufgelöste Information vom Lidar mit der horizontalen Information des Spektrometers, um damit ein verbessertes dreidimensionales Bild der Atmosphäre entlang der Flugstrecke des erdumlaufenden Satelliten zu gewinnen.

Die Aerosolklassifizierung basiert in allen EarthCARE-Algorithmen auf dem HETEAC-Modell (Hybrid End-to-End Aerosol Classification). „Das vom TROPOS zusammen mit Partnern entwickelte Aerosolklassifizierungsmodell HETEAC spielt bei der Verarbeitung der Daten eine zentrale Rolle, weil es dafür sorgt, dass die Geräte sozusagen dieselbe Sprache sprechen und ihre Daten ein einheitliches Gesamtbild ergeben“, erklärt Dr. Ulla Wandinger vom TROPOS, die die Entwicklung dieses Modells geleitet hat. Aber auch in der Auswertung der Lidar- und Spektrometerdaten stecken mehrere Jahrzehnte Know-how an Wolken- und Aerosolbeobachtung vom TROPOS: „Die entwickelten Korrekturmechanismen in unseren Prozessoren werden dafür sorgen, dass sich die Qualität der Wolken- und Aerosoldaten deutlich verbessern wird“, berichtet Dr. Anja Hünerbein, die an der Auswertungssoftware für das passive Spektrometer entscheidend mitgearbeitet hat.

Forschende des TROPOS aus Leipzig haben aber nicht nur an der Software mitgearbeitet, sondern werden auch an der Überprüfung und Kalibrierung der Daten beteiligt sein. Denn eine sorgfältige Validierung der Messungen ist erforderlich, um die ehrgeizigen wissenschaftlichen Ziele der EarthCARE-Mission zu erreichen. Eine große Rolle spielt dabei die europäische Forschungsinfrastruktur ACTRIS (Aerosol, Clouds and Trace Gases Research Infrastructure). Die ACTRIS-Fernerkundungsstationen sind für diesen Zweck bestens gerüstet: Die Standardausrüstung, bestehend aus einem Hochleistungs-Lidar und einem Sonnen-Photometer für Aerosolmessungen sowie einem Doppler-Radar und einem Mikrowellenradiometer für Wolkenmessungen, ermöglicht zusammen mit dem Qualitätssicherungskonzept von ACTRIS eine detaillierte Überprüfung aller EarthCARE-Aerosol- und Wolkenprodukte. „Arbeitsabläufe für die Beobachtung, die Datenverarbeitung und die Bereitstellung von Daten in nahezu Echtzeit wurden bereits entwickelt und ausgiebig getestet. Für diesen Sommer organisieren wir eine Kampagne mit über 40 Stationen, die mehrere Monate dauern soll“, blickt Dr. Holger Baars vom TROPOS voraus, der die Kampagne koordiniert. Daran beteiligt sein werden neben den TROPOS-Stationen in Leipzig (Deutschland), Mindelo (Cabo Verde) und Duschanbe (Tadschikistan) auch viele ACTRIS-Stationen in ganz Europa.

Die umfangreichen Validierungsmaßnahmen von TROPOS und vielen internationalen Forschungsteams dienen dazu, die entwickelten Prozessoren und die damit bestimmten Messgrößen genau zu überprüfen. Erst dann ist wirklich klar, wie gut die Eigenschaften von Aerosolen und Wolken und deren Strahlungswirkung von EarthCARE bestimmt und wie die global gemessenen Daten für ein verbessertes Verständnis der Atmosphäre genutzt werden können. Europas neues „Auge“ im All wird erst mit Hilfe der Bodenstationen richtig scharf und so präzise wie nie zuvor auf die komplizierten Wechselwirkungen zwischen Wolken, Aerosolen und Strahlung schauen können.

Studie

AMT Special issue: EarthCARE Level 2 algorithms and data products
Editor(s): Ulla Wandinger, Pavlos Kollias, Anthony Illingworth, Hajime Okamoto, and Robin Hogan
https://amt.copernicus.org/articles/special_issue1156.html

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Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS)

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HP-Topnews Leibniz-Institut für Troposphärenforschung Umweltwissenschaften Projekte
news-6171 Mon, 27 May 2024 15:54:04 +0200 Artemis Alexiadou erhält Berliner Wissenschaftspreis https://www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/neues/forschungsnachrichten/forschungsnachrichten-single/newsdetails/artemis-alexiadou-erhaelt-berliner-wissenschaftspreis Die Direktorin des Leibniz-Zentrums Allgemeine Sprachwissenschaft wird für ihre herausragende Forschung und ihre Beiträge zur Stärkung des Wissenschaftsstandorts Berlin gewürdigt. Prof. Dr. Dr. h.c. Artemis Alexiadou, Direktorin des Leibniz-Zentrums Allgemeine Sprachwissenschaft (ZAS), wird am 27. Mai vom Regierenden Bürgermeister Kai Wegner bei einer Festveranstaltung im Roten Rathaus mit dem Berliner Wissenschaftspreis 2023 ausgezeichnet. Mit dem Preis werden sowohl ihre herausragenden Forschungsleistungen in der Sprachwissenschaft als auch ihre wesentlichen Beiträge zur Stärkung von Berlin als international sichtbaren Wissenschaftsstandort gewürdigt.

Artemis Alexiadou wurde für den Preis gleich zweifach nominiert. Sowohl die Präsidentin der Leibniz-Gemeinschaft, Prof. Dr. Martina Brockmeier, als auch die Humboldt-Universität zu Berlin hatten sie vorgeschlagen. Damit wird sie auch als ein besonderes Vorbild für die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen in Berlin geehrt.

Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner erklärt in seiner Pressemitteilung: „Es ist mir eine große Freude, den Berliner Wissenschaftspreis 2023 an zwei Menschen zu verleihen, die mit ihrer Forschung herausragende Leistungen erzielen und damit weltweit auch für Berlin als Ort der Exzellenzforschung werben. Die Ausgezeichneten verdeutlichen mit ihrer Arbeit einmal mehr, wie vielfältig die Berliner Forschungslandschaft ist. Sie stärken Berlin als Wissenschaftsstandort und sind Vorbild für viele junge Studentinnen und Studenten und Nachwuchswissenschaftler. Herzlichen Glückwunsch zum Wissenschaftspreis 2023!“

Artemis Alexiadou über die Auszeichnung: „Ich freue mich sehr über diese Anerkennung für die Arbeit, die ich gemeinsam mit meinem Team am Leibniz-Zentrum Allgemeine Sprachwissenschaft und unseren Partnern an der Humboldt-Universität zu Berlin geleistet habe. Der Preis wird uns motivieren, unsere Forschung weiterhin voranzutreiben und praktische Lösungen für aktuelle Herausforderungen zu entwickeln.“

Alexiadou ist seit 2022 Direktorin des ZAS. Gleichzeitig hat sie eine S-Professur für „Allgemeine Sprachwissenschaft“ an der Humboldt-Universität zu Berlin inne. Zuvor war sie unter anderem Professorin der Anglistik an der HU Berlin und der Universität Stuttgart. Alexiadou forscht zur Theorie von Syntax und Morphologie, zu sprachübergreifender Variation und zu sogenannten Heritage Languages. Ihre Forschung wurde in der Vergangenheit bereits mehrfach mit diversen nationalen sowie internationalen Preisen ausgezeichnet. 2014 erhielt sie unter anderem den wichtigsten deutschen Forschungspreis, den Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis. 2016 verlieh ihr die Norwegian University of Science and Technology, Trondheim die Ehrendoktorwürde. Darüber hinaus wurde sie seit ihrer Aufnahme im Jahre 2010 in AcademiaNet, eine Plattform exzellenter Wissenschaftlerinnen, mit vielen weiteren Ehrenmitgliedschaften ausgezeichnet, zuletzt durch die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (2022) und die Linguistic Society of America (2024).

Hintergrund

Der Berliner Wissenschaftspreis wurde 2008 erstmalig vergeben und ehrt seitdem jährlich hervorragende Leistungen in Wissenschaft und Forschung. Ausschlaggebendes Kriterium für die Verleihung des Preises ist neben der wissenschaftlichen Exzellenz auch die Möglichkeit der praktischen Umsetzung der Forschung. Der Hauptpreis ist mit 40.000 Euro dotiert, der Nachwuchspreis mit 10.000 Euro. Die Preisgelder kommen den Einrichtungen zugute, an der die herausragenden Leistungen erbracht wurden.

Das Leibniz-Zentrum Allgemeine Sprachwissenschaft (ZAS) ist ein außeruniversitäres Forschungsinstitut des Landes Berlin. Aufgabe des Zentrums ist die Erforschung der menschlichen Sprachfähigkeit im Allgemeinen und deren Ausprägung in Einzelsprachen. Ziel ist, diese zentrale Fähigkeit des Menschen und ihre biologischen, kognitiven und sozialen Faktoren besser zu verstehen.

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News Leibniz-Zentrum Allgemeine Sprachwissenschaft Geisteswissenschaften und Bildungsforschung Menschen
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