Am Montagabend saß Oliver Mintzlaff in einer Fußballtalkshow. Mintzlaff war mal Langstreckenläufer, wurde 1998 bei der Halbmarathon-WM in der Schweiz 70. und betreute später als Manager den Fußballtrainer Ralf Rangnick und die Schlagersängerin Andrea Berg. Mittlerweile ist er Geschäftsführer von RB Leipzig. Eine illustre Karriere also, als Humorist war Mintzlaff bislang aber noch nicht bekannt. Bislang. In der Sendung Sky90 sagte Mintzlaff nämlich einen Satz, bei dem er sich sicher zusammenreißen musste, um nicht selbst lachen zu müssen. Er sagte, wer gegen die Financial-Fairplay-Regeln der Uefa verstoße, solle von der Champions League ausgeschlossen werden.

Zur Erinnerung: Grob gesagt bedeutet die Regel, Clubs dürfen nicht mehr Geld ausgeben, als sie einnehmen. Sonst werden sie bestraft. Sie soll verhindern, dass Investoren und Mäzene mit Millionen und Abermillionen einen Fußballclub päppeln und damit den Wettbewerb verzerren. Mintzlaffs Forderung ließe sich daher ohne viel Aufhebens in die Rubrik vernünftige Mehrheitsmeinung einordnen, wäre er nicht Geschäftsführer jenes Clubs, den es ohne einen Investor, in diesem Fall einen österreichischen Brausemilliardär, gar nicht geben würde. Mintzlaff führt die Geschäfte jenes Clubs, der in den vergangenen fünf Jahren laut transfermarkt.de knapp 150 Millionen Euro mehr für Spieler ausgegeben als eingenommen hat. Mintzlaff gehört zu jenem Club, von dem noch immer nicht klar ist, ob er die angesprochene Financial-Fairplay-Regel wirklich einhält, weil die Uefa nach Informationen der Sport Bild nur die Hälfte der Sponsorengelder als Einkünfte anerkennt. Das ist ein bekannter Trick: Clubs lassen sich von ihren verbündeten Sponsoren etwas mehr Geld zahlen, als sie zu üblichen Marktpreisen bekommen würden, um mit diesen Einkünften Verluste aus Transfers oder zu hohe Gehälter financialfairplaytechnisch wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

Die Uefa beobachtet RB Leipzig also ganz genau, weshalb Mintzlaff mit seinem Satz an einen verdächtigen Pferdedieb erinnert, der fordert, jeder Pferdedieb sollte schleunigst gevierteilt werden. Meint er das ernst? Zeugt sein Satz von Chuzpe? Oder gar Dreistigkeit? In jedem Fall scheinen sie bei RB vor Selbstvertrauen derzeit nur so zu strotzen. Auch Leipzigs Sportdirektor Ralf Rangnick mag offensive Ansagen. Bei RB haben sie in den vergangenen Jahren anscheinend gelernt, dass kaum jemand sie aufhalten kann.

Regel befolgt, aber deren Geist nicht gelebt

In der vergangenen Saison wurde RB Zweiter in der Bundesliga, ärgerte zwischendurch sogar kurz die Bayern, spielte frischen Fußball. Wenn nun am Mittwoch gegen den AS Monaco das erste Champions-League-Spiel der Vereinsgeschichte steigt, ist das für den Club tatsächlich ein historischer Abend. Die viel zitierte Königsklasse war das Ziel von Dietrich Mateschitz, als er 2009 RB Leipzig zum ersten Mal ins Rennen schickte, damals in der Oberliga Nordost, der fünften Liga. Zehn Jahre hatte er für den Weg eingeplant, nun ging es zwei Jahre flotter.

Die Leipziger Chefs haben auch eine breite Brust, weil sie auf ihrem Weg zudem alle juristischen Widerstände beseitigt haben. Immer ging es darum, ob das Konstrukt RB Leipzig überhaupt mitspielen durfte. Vor den Lizenzvergaben für die Dritte Liga durch den DFB, für die Zweite Liga durch die DFL und eben für die Champions League in diesem Jahr mussten die Leipziger immer zittern. Beständig schienen sie für das Fußballgemeinwesen elementare Regeln zu verletzen, wie etwa die 50+1-Regel, nach der ein Investor bei einem Fußballverein nicht die Mehrheit übernehmen und bestimmen darf. RB aber änderte hier ein wenig was und betrieb da Kosmetik und wie durch ein Wunder kamen alle Verbände zu der Erkenntnis, dass alles okay sei. Immer.

In der Frage der 50+1-Regel etwa sah das dann so aus: RB verwies auf seinen Ursprungsverein, die RasenBallsport Leipzig e. V. Obwohl dieser nur zu einem Prozent an der ausgegliederten Spielbetriebs-GmbH beteiligt ist (und Red Bull zu 99 Prozent), besitzt er auf der Gesellschafterversammlung der Spielbetriebs-GmbH die Stimmenmehrheit. Pro forma ist die Regel also eingehalten. Wer aber weiß, dass der Verein nur 17 stimmberechtigte, handverlesene Mitglieder hat, erkennt, dass die 50+1-Regel zwar befolgt, aber ihr Geist nicht gelebt wird.